
Christine Matschke
Tanzjournalistin
Hochfrequenz-Börsenhandel ist nur ein Beispiel dafür, dass Zeitlichkeit in der heutigen Welt einen Zusammenbruch erlitten hat: Für eine Analyse von Transaktionen, die Computer in drei Minuten ausführen, benötigen Fachleute drei Monate. Der 2017 verstorbene Kulturwissenschaftler und Poptheoretiker Mark Fisher diagnostizierte in seiner Flugschrift „Kapitalistischer Realismus ohne Alternative?” ein kulturelles Erschöpfungssyndrom, das er auf die unkontrollierbare Dynamisierung von Zeit zurückführte: Die Vorstellung vom Ende der Welt erscheint heute vielen realistischer als das Ende des Kapita- lismus. Christoph Winkler, seit 1998 freischaffender Polit-Choreograf in Berlin, mit langjährig gewachsenem, außereuropäischem Ensemble und kontinuierlichem Gespür für aktuelles Zeitgeschehen, widmet Fisher nun das performative Mixtape „It ́s all forgotten now”. Gemeinsam mit zehn Performer*innen möchte er live und, aufgrund Corona-bedingter Einreisebeschränkungen, auch per Videoübertragung die assoziativ-essayistische Arbeitsweise von Fisher im Tänzerischen aufgreifen. Sicher wie gewohnt nicht ohne den nötigen Humor. Der „Pandemie der seelischen Leiden” gilt es schließlich aktiv etwas entgegenzusetzen.
- November/Dezember 2020
- Editorial
- (Un-)Lust am Text?
- Hommage an Weggefährtinnen
- Autonomous Sound Collective
- Kulturelle Codes umschreiben
- Verzückend entrückend
- Vergebliche Wahrheitsmüh?
- Die Essenz der Frucht
- Glaubensfragen?
- Mit einer Prise Fremdheit
- Imaginäre Landschaften
- Wie ein Riss in der Luft
- Von Abstand bis Zusammensein
- Halbmenschliche Wasserstudie
- Wider das Endgültige
- Sehnsucht nach Überschwang
- Kraftzentren aus Klang und Körpern
- Rückkehr des Repertoires