Christine Matschke
Tanzjournalistin
Wenn es für den Postmodern Dance ein ähnliches Phänomen wie den „Klub 27“ geben sollte, eine Liste der vor ihrem 30. Geburtstag verstorbenen Berühmtheiten, dann zählt er unbestritten dazu: Fred Herko, Schlüsselfigur des New Yorker Undergrounds der 60er Jahre und Star in den ersten Filmen Andy Warhols. Mit 28 Jahren sprang er im Grand Jeté aus dem Fenster eines Apartments in Greenwich Village. Ob absichtlich oder aus Versehen, ist bis heute ungeklärt. In „Sunrise Sunset“ nimmt der Choreograf Przemek Kamiński nun Abstand von dem zersplitterten Bild, das von Herko blieb, und setzt es in einer choreografischen Spekulation für zwei Tänzerkörper neu zusammen. In der historischen Gegenüberstellung der Alltäglichkeit postmodernen Tanzes und der Extravaganz von Camp und Neo-Romantik könnte Herkos exzessive und unorthodoxe Herangehensweise an Arbeit und Leben, so Kamińskis Hypothese, als ein sich in utopischer Verkörperung ausdrückender Widerstand gelesen werden.