Signal aus dem politischen Raum
Wie geht’s jetzt weiter? Gespräch mit der Grünen-Politikerin Sabine Bangert, Vorsitzende des Kulturausschusses, Initiatorin und Mitglied des Runden Tisch Tanz, über die kulturpolitischen Folgerungen aus dem partizipativen Prozess.
Engagiert für den Tanz hat sich Sabine Bangert schon als kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus von 2012 bis 2016. Verstärkt tut sie es seit ihrer Wahl zur Vorsitzenden des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten 2017. Wesentlich beteiligt war sie zum Beispiel am vielzitierten Passus aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen: „Die Koalition wird den Tanz in Berlin stärken und die Tanzförderung in den kommenden Jahren strukturell in allen Fördersäulen ausbauen.“ Auch der Runde Tisch Tanz, an dem sie als eines von 19 Mitgliedern teilgenommen hat, ist eines ihrer Herzensprojekte. Nun geht es um die Umsetzung der Ergebnisse. Sabine Bangert, wofür werden Sie sich stark machen?
Interview: Elena Philipp
Frau Bangert, was war Ihre Motivation als Kulturpolitikerin, den Runden Tisch Tanz mit zu begründen?
Wir, also die Koalition, waren uns einig, dass wir den Tanz in Berlin stärken und ihn strukturell wie finanziell weiterentwickeln wollen. Der _Runde Tisch Tanz_ schien uns eine geeignete Maßnahme zur Umsetzung des Koalitionsvertrags, als ein partizipatives Verfahren, wie sie die Koalition generell anstrebt. Der Weg dahin wiederum ist unser Politikansatz gewesen: Als kulturpolitische Sprecherin der Fraktion habe ich mit den Kulturschaffenden dieser Stadt den Dialog begonnen, um gemeinsam mit ihnen die Kulturpolitik zu gestalten. Wir leben schon in einer kleinen Blase – politisch –, und die Kunstschaffenden wissen, was sie brauchen und wie die Unterstützung am besten auszugestalten ist.
Warum war es Ihnen wichtig, neben Tanzschaffenden auch Vertreter*innen der Politik und der Verwaltung am RTT zu beteiligen?
Mit einer Beteiligung der Politik an Runden Tischen muss man sorgsam umgehen, aber uns war sehr daran gelegen, dass der RTT eine Verbindlichkeit hat. Wir meinen’s wirklich ernst damit, dass wir die Tanzszene weiterbringen wollen, und da muss man die Legislative wie auch Exekutive mit in die Verantwortung nehmen.
Was ist für Sie ein Erfolg des Prozesses?
Nachhaltig beeindruckt hat mich, wie viele Tanzschaffende sich engagiert beteiligt haben. Wir waren nicht immer einig, wir haben heftig diskutiert und uns auch gestritten, aber es war wirklich ein unglaublich konstruktiver Prozess. Der Runde Tisch Tanz ist für mich ein gelungenes Beispiel, wie ein partizipatives Verfahren ablaufen kann. Ein Riesenerfolg ist es auch, dass es gelungen ist, die Kolleg*innen in der Koalition für den Tanz zu begeistern – dass sie erlebt haben, was die Berliner Tanzschaffenden alles bewegen. Dass es nicht immer um Geld geht, sondern dass sie sich mit einer enormen Fachkompetenz Gedanken machen, wie man Strukturen verändern kann. Das hat uns allen die Motivation gegeben, jetzt im politischen Raum dafür zu kämpfen, dass sich die Ergebnisse auch in den kommenden Haushalten abbilden. Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an.
Im Abschlussbericht gibt es dafür einen Zeitplan und konkrete Zahlen – zu nötigen Aufwüchsen in der Förderung und für Maßnahmen, die als Ergebnis des RTT gestartet werden müssen. Ist das schon weitgehend mit der Politik abgestimmt und muss vielleicht nur noch haushalterisch umgesetzt werden?
Nein, in der Größenordnung werden wir das im nächsten Haushalt nicht abbilden können. Projekte wie das Haus für den Tanz müssen wir langsam aufbauen. Berlin hat eine sehr dezentrale Struktur im Tanz, wir haben nicht einen Monolithen in der Mitte, um den alle kreisen. In diesem Rahmen muss sich ein Haus für den Tanz perspektivisch entwickeln, um die Dezentralität nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Dafür muss man ein kluges Konzept formulieren.
Wenn sich die insgesamt rund 12,3 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre nicht in voller Höhe realisieren lassen: Gibt es schon Tendenzen, welche Maßnahmen im Landeshaushalt 2019/20 verankert werden?
Die Haushaltsverhandlungen laufen gerade erst an. Anfang Mai werden die Vier-Augen-Gespräche stattfinden, in denen sich Kultursenator Klaus Lederer mit dem Finanzsenator Matthias Kollatz verständigen muss und ggf. auch streiten, welche Aufwüchse er in welchen Bereichen bekommt. In der Koalition werden wir Anfang Juni ungefähr wissen, was im Haushalt steht – und da wird sicherlich etwas drinstehen, was den Tanz anbelangt. Mitte Juli bekommen wir den Haushaltsentwurf. Dann müssen wir für unsere fachpolitischen Vorstellungen kämpfen und in den Haushaltsberatungen schauen, wo wir noch nachlegen müssen. Aber in der Koalition haben wir sehr kulturaffine Haushälter*innen und ich bin ganz hoffnungsfreudig, dass wir das eine oder andere erreichen werden.
Wofür werden Sie sich in den Haushaltsberatungen besonders einsetzen?
Wir brauchen einen Einstieg fürs Haus für den Tanz, inklusive Archiv und Vermittlung, da müssen wir ein Gutachten beauftragen. Das Haus muss zu Berlin passen, es muss ein offenes Haus sein, in dem die Tanzschaffenden konzeptuell beteiligt sind. Überlegt haben wir uns am Runden Tisch Tanz verschiedene Modelle – eine Einzelintendanz sollte es nicht mehr sein, sondern man muss Kompetenzen bündeln, ein Leitungsteam installieren und Beteiligung schaffen. Der neben dem Haus wichtigste Punkt, an dem wir als Regierungskoalition weiter arbeiten müssen, sind faire Arbeitsbedingungen, sprich Mindesthonorare – und zwar nicht so, dass dadurch insgesamt weniger Projekte gefördert werden. Außerdem wollen wir die Orte für den Tanz stärken. Das Thema Räume ist exorbitant wichtig. Im geplanten Kulturraumbüro müssen wir schauen, dass der Tanz sich adäquat abbildet – ebenso wie bei den 2020 startenden Forschungsstipendien. Es gilt, Spartengerechtigkeit zu schaffen: bei Räumen, bei Förderinstrumenten, in den Jurys. Und dann müssen wir weitersehen, was geht, wie man einzelne Bausteine aus dem Abschlussbericht schon mal anschiebt.
Was würden Sie persönlich kulturpolitisch für den Tanz gerne noch erreichen?
Schön wäre es, wenn ich noch das Haus für den Tanz auf den Weg bringen könnte – es ist meine letzte Legislatur, 2021 höre ich auf. Und dass wir weitergehen mit Mindesthonoraren in der Projektförderung, damit die Förderinstrumente so adäquat ausgestattet sind, dass eine künstlerische Entwicklung und eine existenzielle Absicherung für die Künstler*innen möglich sind.
Vielen Dank für das Gespräch – und viel Erfolg für die anstehenden Verhandlungen.
- Mai/Juni 2019
- Editorial
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- Dringend dranbleiben!
- Stärkt Strukturen
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- Verletzlichkeit verwandeln
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- Jung und divers
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- Alles unter Kontrolle