Christine Matschke
Tanzjournalistin
Welchem Theater- und Tanz-Kanon vertrauen wir? Und an welche sozialen Normen und Wertvorstellungen knüpfen wir dabei an? Die Choreografin Ligia Lewis sucht nach ästhetischen Möglichkeiten, eine schwarze Position innerhalb eines weiß dominierten Kanons zu behaupten. Das an westlichen Mythen und kulturhistorischen Bezügen dichte „Water Will (in Melody)“ (2018) etwa lässt bekannte Interpretationsansätze löchrig werden. Vom Melodram ausgehend, spinnt das Stück fühlbar eine dystopische Fantasie und lässt das Publikum in die Orientierungslosigkeit abdriften. Neben Lewis’ jüngstem Werk zeigt das HAU zwei weitere Wiederaufnahmen der Künstlerin: „Sorrow Swag“ (2014) nutzt Texte und Bilder aus dem klassischen Theater des 20. Jahrhunderts, um Konzepte von Rasse, Autorschaft, Geschlecht und Trauer infrage zu stellen. „minor matter“ (2016) wiederum zettelt ein tödliches Vexierspiel zwischen ‚weißem‘ und ‚schwarzem‘ Tanzwissen an. Maurice Béjarts „Bolero“-Ballett mündet hier in eine afroamerikanische Steppnummer und das Death Drop des Voguing trifft auf das Head-Banging des Death Metal.