Ausgabe Januar/Februar 2022

Im System knirscht’s

Wie geht es den Theatertechniker*innen mit der Corona-Situation? Maximilian Stelzl vom HZT Berlin gibt Auskunft.

© privat

Vierte Welle. Alles von vorne: Erneut müssen sich Veranstalter*innen vergegenwärtigen, dass geltende Corona­Verordnungen sich jederzeit ändern können und für Aufführungen kurzfris­tig umgeplant werden muss. Was bedeutet das für die Theatertechnik, die bei allen Tanzpro­duktionen die letzte Hand anlegt? Schließlich ist von einer Bühnen­Performance in der Black Box nur dann etwas zu sehen, wenn die Schein­werfer hängen und eine Person das Lichtpult bedient. Womit sich die Techniker*innen gerade herumschlagen, erzählt Maximilian Stelzl im Interview. Der in Bayern gebürtige (Wahl­)Ber­liner ist seit 2010 Technischer Leiter am Hoch­ schulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin und Teil des Planungsteams der selbstverwalteten Uferstudios. Zuvor war er Technischer Leiter der Tanzfabrik Berlin und des Podewil, tourte mit Sasha Waltz & Guests und arbeitete für Festi­vals wie move berlim und Tanz im August oder Choreografinnen wie Mette Ingvartsen und Toula Limnaios.

Interview: Elena Philipp

Max, wie erlebst Du die derzeitige Situation?

Dieses Hin und Her kann politisch gerne entschieden werden, aber danach ist Männer- und Frauenpower gebraucht, um Veranstaltungen umzusetzen und zu betreuen. Die Kurzfristigkeit führt immer zu extremen Engpässen – im Material, im Personellen und was das zusätzliche Arbeitsgebiet der Pandemiebetreuung anbelangt. Wir Theatertechniker*innen sind halbe Pandemiebeauftragte, müssen planen, wie Abstände eingehalten werden, müssen manchmal die 2G- oder 2G+-Nachweise kontrollieren. Generell wird die Planung immer kurzfristiger und aufwändiger. Vorbereitung, die für Künstler*innen mit dem Proben selbstverständlich ist, existiert für uns nicht mehr. Alles soll schnell, schnell erfolgen – das führt zu Chaos. Wir haben dann nicht mehr den Überblick, ob die von einer Produktion angefragten Scheinwerfer überhaupt verfügbar sind. Den letzten beißen die Hunde, und das sind wir – das wird im Theater bisweilen gern vergessen.

Wie geht es anderen Theater- und Veranstaltungstechniker*innen?

Ich weiß auch von Kolleg*innen, dass das zu Stress führt, und mehr Stress ist in der Pandemie gar nicht gut. Irgendwann ist die Geschwindigkeit so groß, dass sie auf Kosten der Gesundheit, der Arbeitssicherheit und der guten Stimmung geht. Die Unfallgefahr ist wesentlich höher. Und je schneller man zusammenarbeitet, desto höher ist auch die Gefahr der Ansteckung, weil man nicht mehr auf korrekt sitzende Masken und den Abstand achten kann. Meine Leute haben so viel Arbeit, man kann sie nicht mehr drei Wochen für ein Festival buchen, weil sie derzeit bei zwei Festivals gleichzeitig ein- gespannt sind. Dann kommen die ganzen Hybridvorstellungen dazu. Das sind arbeitsintensive Computeraufbauten – aus Kleinstveranstaltungen werden technisch halbe Großveranstaltungen. Einfache Konferenzen, bei denen man ein Mikrofon aufgebaut und einen Lautstärkeregler hochgezogen hat, gibt es seit der Pandemie nicht mehr.

Im System hat sich offenbar viel Druck angestaut.

Ja, es knirscht. Zum Ende des Sommers war es auf einem guten Weg, hat sich wieder eingeklinkt. Aber jetzt ist wieder alles durcheinander. Wir Techniker*innen sind das Nadelöhr in den Uferstudios, durch die Verwaltung und die Technik muss alles durch. Und wir haben keine Puffer mehr.

Eine Befürchtung immerhin scheint nicht eingetreten zu sein, die bei den Demonstrationen von Veranstaltungstechniker*innen 2020 im Raum stand: dass in einer ganzen Branche massiv Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Freischaffenden waren teils ganz froh, dass sie mal nichts zu tun hatten. Als wieder geprobt werden durfte, waren sie dann rasch wieder in Produktionen drin. Andere, vor allem im Ton- und Videobereich, haben sich eine neue, besser bezahlte Arbeit gesucht – bei der Bundesregierung oder den Ländern, die hunderte von Stellen etwa für Videokonferenzen ausgeschrieben haben. Unter dem Verlust qualifizierter Mitarbeiter*innen leiden vor allem Großveranstaltungen wie Messen und Events. In der Freien Szene ist das nicht so dramatisch, die meisten von uns sind ja Überzeugungstäter*innen. Aber einen Personalmangel gibt es schon, was man an den stark gestiegenen Honoraren merkt, die von den Produktionen, Spielstätten und Festivals ja auch bezahlt werden müssen. Das ist wie eine Welle, die von hinten drückt.

Wenn es hier derartige Engpässe gibt: Sind denn für die kommenden Monate kulturpolitisch alle nötigen Hebel in Bewegung, um die Infrastrukturen und Jobs zu sichern? Wenn etwa Veranstaltungen abgesagt werden müssten, weil sie technisch nicht mehr betreut werden können?

Man müsste die Fördergelder weiterhin strecken dürfen, wenn man sie 2022 nicht ausgeben kann, weil man keinen Raum oder keine Techniker*innen findet oder die Mitwirkenden nicht reisen können. Idealerweise bis ins Jahr 2023. Und es müsste die Garantie geben, vom Senat und dem Hauptstadtkulturfonds, dass die Vorgaben flexibler gehandhabt werden. Wir machen unsererseits möglich, was irgendwie geht, aber irgendwann ist die Frage: Geht‘s denn noch? Die Selbstausbeutung scheint in uns Techniker*innen zu stecken. Trotzdem ziehen wir an den HZT/Uferstudios die Reißleine, bevor wir einen Burn-out bekommen. Sehr viele Leute, das muss ich sagen, sind mittlerweile sehr sauer auf diejenigen, die sich nicht impfen lassen. Wir hätten es hinter uns haben können.

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