Ein klebriges Sprichwort enträtseln
Parvathi Ramanathan
Tänzerin, Forscherin und Schriftstellerin, mit gelegentlichen Ausflügen in die Poesie.
Ich ließ meine Finger über das Metallgitter des Fensters gleiten, während ich mit meinem Körper wippte. Mein Haar fiel nach vorne über mein Gesicht, als würde es von einer imaginären Brise bewegt. Eine imaginäre Filmkamera schwenkte hinüber und nahm meinen Flirt mit dem Mond auf. Ich war sieben Jahre alt und imitierte einen Bollywood-Song, während ich versuchte, sexualisierte Tanzschritte zu machen, die ich kaum verstand. Ich glaubte, allein zu sein, und ging mit voller Hingabe an die Sache heran.
Man kann sich vorstellen, wie entsetzt ich war, als ich mich umdrehte und sah, dass meine Mutter mich beobachtete! Ich spürte sofort, dass meine Tanzschritte für mein Alter eine Überschreitung waren. Verlegen versuchte ich, meine Schritte zu ändern, mein Haar zu richten und mich zu erklären.
Viele Jahre später denke ich noch immer über diesen Moment nach.
Tanzt man anders, wenn man beobachtet wird? „Dance like no one is watching!” Was bedeutet dieses Sprichwort für die Erlaubnisse und die Erkundungen des Körpers? Welche kreativen Überschreitungen zeigen sich in der Privatsphäre der eigenen Gesellschaft?
Man sagt, dass selbst während der Proben von Ensembleaufführungen alle möglichen magischen Momente entstehen. Es gibt Verbindungen und Funken, die sich nicht wiederholen, wenn das Publikum sie zu Gesicht bekommt.
Auf der anderen Seite gibt es diesen Nervenkitzel, der durch ein anwesendes Publikum entsteht. Oh, die elektrische Ladung, die von jedem Blick ausgeht! Ich fühle mich in einem Club definitiv heißer, wenn eine Person zufällig Komplimente für meinen Tanz macht. Ich würde gerne sagen, das war in meinen 20ern. Aber ehrlich gesagt, auch jetzt geben mir die zusätzlichen Blicke mehr Energie und stärken mein Ego. Umgekehrt stellt sich die Frage: Gibt es etwas, das die zusätzlichen Augen auch wegnehmen? Was nimmt der Blick von außen von der improvisierten Selbstdarstellung weg?
„Dance like no one is watching”wird oft in Büchern für Teenager und auf kitschigen Postkarten zitiert. Aber was bedeutet das Sprichwort wirklich? Sollen wir so tanzen, als ob niemand zuschaut, obwohl tatsächlich jemand zuschaut? Oder manifestiert sich der ideale Tanz, wenn niemand zuschaut?
Im März und April 2023 waren in Berlin Plakate von dreißig Performer*innen der Kampagne Watch Me Dance sehen. Sie tragen weder Bühnen-Make-Up noch Kostüme, sondern einfache T-Shirts mit dem Aufdruck des Kampagnentitels. Sie werden nicht beim Tanzen gezeigt, sondern wenden den Betrachtenden ihren Blick zu – mit einem Lächeln, ungeniert und überraschend. Sie verlangen, dass man ihnen zusieht.
Während der COVID-Jahre spürten viele Tanzschaffende ein Vakuum, als sie ihre Arbeit für Online-Formate anpassten. Der Blick von Außen wurde nicht nur gebraucht, sondern es war gewünscht, dass er im Raum präsent ist. Andererseits vermehren sich die viralen TikToks auf den Bildschirmen im Taschenformat zu Tausenden. Rituelle Aufführungen finden die ganze Nacht statt, unabhängig davon, ob ein Publikum anwesend ist oder nicht. Andere Performances werden ausschließlich für eine allwissende Gottheit aufgeführt. Therapeutische Instrumente wie Authentic Movement konzentrieren sich auf den Akt des Beobachtens.
Was lernen wir aus diesen Tanzwelten über das Betrachten und Beobachten eines sich bewegenden Körpers? Was löst es in unserem tanzenden Selbst aus, wenn nur ein einziges Augenpaar auf uns gerichtet ist? Was wird uns vorenthalten? Tanzt Du so, als ob niemand Dir zuschaut?
Der Blick meiner Mutter ließ mich damals erstarren. Aber ihr Blick zog weiter, und ich bewegte mich weiter. Ab und zu kehrt ihr Blick zurück, um mich einzuhüllen. Und auch das hat mich in Bewegung gehalten.
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