Berlin steht kurz vor einem Regierungswechsel und der zu Redaktionsschluss vorliegende Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD lässt noch einige Fragen offen. Wie geht es weiter mit den beim Runden Tisch Tanz ausgehandelten Maßnahmen und wie steht es um die Zukunft des Hauses für Tanz und Choreografie, des Berliner Tanzarchivs und des Tanzvermittlungszentrums? Die Tanzwissenschaftlerin und langjährige Expertin der Berliner Tanzszene, Susanne Foellmer, nimmt uns mit in eine optimistische Zukunft.
Text: Susanne Foellmer
Gestern, am 29. April 2030, war es nun endlich so weit: Das neue Haus für Tanz und Choreografie wurde feierlich eröffnet, zeitlich passend zum Welttag des Tanzes. Auf dem ehemaligen Gelände der BeHaLa in Kreuzberg steht nun ein Ort für Produktionen in lokalen und internationalen Tanz-Dimensionen, für Recherche, Workshops, Proben, Residenzen und Kollaborationen der Berliner Szene, für das Gedächtnis des Berliner Tanzes durch das Archiv und für die Vermittlung dieser Kunstform in die Stadtgesellschaft hinein.
Nachdem der Runde Tisch Tanz Anfang 2019 sein Papier vorgelegt hatte, brauchte es nicht lange, um die hier empfohlenen Maßnahmen umzusetzen und einer Tanzszene, um die Berlin schon seit Jahrzehnten international beneidet wird, die lange überfälligen Infrastrukturen zu geben. Bemerkenswert dabei: Die Corona-Pandemie begünstigte die ersten Schritte hin zu einer neuen Zukunft. Die Stadt Berlin erkannte schnell, dass ihr mit dem Tanz eine der tragenden Säulen der Kultur unrettbar verloren gehen würde und handelte sofort: Mit den zuvor doch eher als utopisch etikettierten Langzeitstipendien für Tanz konnten 2020 als Auftakt 41 Künstler*innen mit der sogenannten Tanzpraxis ihre tägliche körperbasierte Arbeit bestreiten, recherchieren, experimentieren, mit Veranstalter*innen in Kontakt bleiben, später dann wieder das tägliche Training finanzieren, Produktionen vorbereiten, die Vor- und Nachbereitung der Projekte bestreiten, kurz: all das, was der künstlerische Alltag finanziell erfordert, sich aber bis dato in keinem der Förderinstrumente wiederfand.
Und wir erinnern uns weiter: Die Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus Anfang 2023 brachten zunächst große Ungewissheiten mit sich, nicht nur für den Tanz. Die sorgsam erarbeiten Planungen um den Runden Tisch Tanz und die mit viel Energie und Expertise zwischen Tanzszene, Politik und Verwaltung entwickelten Ideen drohten in der Versenkung zu verschwinden.: Programme, wie etwa die Residenzförderung sowie die drei großen Konzepte für ein Tanzarchiv, ein Vermittlungszentrum und, schließlich, das Tanzhaus als Ort, der dies alles verbindet.
Doch manchmal halten Politikwechsel Überraschungen bereit. Denn eines war dem Senat immer schon klar: Die Stadt Berlin braucht den Tanz, und nun mehr denn je. Sie braucht eine Kunstform, die sich immer wieder neu gestaltet, künstlerische Innovationen hervorbringt – oder auch nachhaltig das eigene Schaffen befragt und weiterentwickelt. Eine Kunstform, in der Diversität, das kollaborative, inklusive Miteinander, ein kritisches Hinterfragen von Arbeitskulturen und ihren Ethiken im Kunstmachen verhandelt werden und die somit neue künstlerische wie soziale Schwerpunkte und Standards setzt, auch in andere Kulturbereiche hinein. Eine Kunstform, die Weisen des miteinander Umgehens befragt und befördert, des körperlichen und bewegten Zusammenseins oder auch des respektvollen Distanznehmens. Und, last but not least: Eine Kunstform, die der Stadt in den letzten Jahrzehnten die Tourist*innen in Scharen in die Arme getrieben hat. Ein ‚Pfund‘, mit dem man so wuchern konnte, musste folgerichtig die entsprechenden Räume, die infrastrukturellen und finanziellen Programme und Einrichtungen erhalten, auch, um die Abwanderung solch’ künstlerischen Potentials langfristig zu verhindern.
So manche hatten sich freilich gefragt, wie das finanziell zu stemmen sei, besonders im politischen und sozialen Klima fortgesetzter Krisenmodi, in dem Kunst und Kultur üblicherweise als nachrangig angesehen und entsprechend behandelt werden. Doch, wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg, so sagt man. Geringe Umschichtungen im Haushalt, die, nach genauerem Hinsehen, durchaus möglich waren, ebneten den Weg für den ersten Schritt, maßgeblich unterstützt durch den neuen Kultursenat. Und ein lang diskutiertes Instrument wurde schließlich re-etabliert und passgenau benutzt: Die Berliner Kulturförderabgabe. In 2013 von der Koalition der Freien Szene erstritten, vom Land Berlin jedoch zu einer allgemeinen City-Tax deklariert, die nicht weiter spezifiziert in den Berliner Haushalt einging, fanden zehn Jahre später die notwendigen Nachjustierungen statt. Seither fließt das eingenommene Geld nun in die Kultur, in Künste wie Tanz, Theater, Performance, in Literatur, bildende Kunst, Film und digital Art, Musik, Oper, Clubs und Zirkus, in Bibliotheken, Galerien und Museen, Kinder- und Jugendprogramme und die diversen Festivals. Niemand hatte mit derart hohen Summen gerechnet, die durch jeden touristischen Besuch und die Übernachtungen erwirtschaftet wurden. War Berlin bereits in den Nuller- und Zehnerjahren ein Reise-Magnet, so nahm die Zahl der Besucher*innen noch weiter zu – sicher nicht zuletzt angezogen durch das fantastische Angebot der hiesigen Tanzszene.
Um es kurz zu machen: Das Geld floss (und fließt) in Strömen und so fiel es leicht, den Bund von einer Ko-Finanzierung zu überzeugen, um den Weg für das lange überfällige Haus für Tanz und Choreografie, dem ihm innewohnenden Tanzarchiv und dem Vermittlungszentrum freizumachen – nebst ausgestalteter Fördermaßnahmen, die die dezentral blühende Berliner Tanzlandschaft nachhaltig stärken. Ab heute nun können sich alle Berliner*innen selbst ein Bild machen, eine offene Probe oder einen Workshop besuchen, in den fantastischen Programmheftsammlungen von Tanzjournalist*innen und Tanzliebhaber*innen stöbern oder einfach nur einen Kaffee am Spreeufer trinken und den Arbeiten im Garten zusehen, der gemeinsam mit den Nachbar*innen gestaltet und unterhalten wird. Und später geht es natürlich ab in die Tanzvorstellung!
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