edition July/August 2020

Ein anderes Miteinander erspüren

Wie Tanz als Kunst der Resonanz zu gesellschaftlicher Empathie beitragen kann.

Radouan Mrizigas "7" setzte am radialsystem im Januar 2020 den menschlichen Körper ins Verhältnis zu den Geometrien von Architektur und Skulptur. Foto: Phil Dera

Empathie ist ein zentraler Begriff für Matthias Mohr und das Programm, das er als Künstlerischer Leiter des radialsystems seit 2018 verantwortet. Als „Grundvoraussetzung dafür, dass wir uns überhaupt begegnen können, vielleicht als Basis des Menschseins an sich“, bezeichnet er Empathie in einer Programmankündigung. Das Potenzial aktiv engagierten Mitempfindens erkundete das radialsystem in vier Ausgaben der Reihe New Empathies. ­Mitgestaltet haben diese Reihe – in Konzerten, Installationen, choreografischen Arbeiten, Workshops und Gesprächen – Berliner und internationale Choreograf*innen wie Begüm Erciyas, Milla Koistinen, Radouan Mriziga (s. Fotos), Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi, sowie, zuletzt digital in New Empathies – Far from a distance, Juan Dominguez. Den Hintergrund und die Anliegen der Reihe beschreibt Matthias Mohr.

Text: Matthias Mohr
Künstlerischer Leiter radialsystem

„Empathie ist die Fähigkeit, an den Gefühlen, Intentionen, Ideen und manchmal auch an den Bewegungen eines anderen Menschen teilzunehmen, sie mitzuerleben oder nachzuempfinden“, lautet Arno Grüns Definition des vielschichtigen Begriffs, der seit Jahren wahlweise als zentrales Mittel im Kampf gegen die Wut auf das vermeintlich Andere gefeiert oder als sentimentale Entpolitisierung der Verhältnisse verdammt wird. Je nach Wissensbereich verhalten sich die Beschreibungen von Empathie fast gegensätzlich zueinander, und selbst innerhalb einzelner Disziplinen, etwa der Psychologie, liegen die Interpretationen weit voneinander entfernt. Wovon fast alle Annäherungen an den emphatischen Prozess ausgehen, ist die Gleichzeitigkeit von kognitivem Verstehen und körperlich-emotionalem Mitschwingen und damit – einer Resonanz.

Aktives Mitempfinden stimmt politisch
Unterschiede sehen diese Annäherungen im Grad der Aktivität oder Passivität, mit der der Prozess der Einfühlung stattfindet. Die in der Neurologie verwurzelte Spiegel- und Ansteckungskonzeption beispielsweise hebt das passive Ausgeliefertsein an die Emotionen und Stimmungen anderer hervor: Ich sehe jemanden, der weint, und werde automatisch selbst traurig. Gerade diese Form der Empathie, die wir mit Mitleid oder gar Selbstmitleid assoziieren, stellt sich für den politischen Diskurs schnell als unbrauchbar heraus, denn sie impliziert weder ein Verstehen, noch führt sie zu einem Aktivwerden. Im Gegensatz dazu stehen Theorien, die Empathie als einen Prozess der Vergegenwärtigung beschreiben, bei dem keine Gefühlsübernahme stattfindet. Es wird lediglich etwas leiblich, imaginativ und perspektivisch nachvollzogen, dabei aber die Distanz zum Gegenstand der Einfühlung aufrechterhalten – und damit die Möglichkeit, sich zum Erlebten aktiv zu verhalten, gewahrt.

Dieser aktivierenden „Empathie der Vergegenwärtigung“ gilt mein Interesse. „Sie ist das elementarste und älteste Medium der Wahrnehmung und des Umgangs mit uns selbst und unserer Umgebung“, schreibt der 1923 in Berlin geborene und 1936 emigrierte Psychoanalytiker Arno Grün in seiner Monografie „Wider die kalte Vernunft“, in der er sich kurz vor seinem Tod im Jahr 2015 kritisch mit dem von ihm konstatierten Verlust der Empathie-Fähigkeit des modernen Menschen auseinandersetzt.

Mit Grün lässt sich ein vor-politischer Raum beschreiben, der politisch wird, sobald wir erkennen, dass der Verlust von Empathie eine neue Architektur unseres Bewusstseins zur Folge hatte, auf deren Basis wir heute politisch denken und agieren. Wollen wir die elementaren Fragen unserer Zeit lösen, scheint dies meines Erachtens nur mit einer grundsätzlichen Veränderung unseres Bewusstseins möglich zu sein, in deren Folge das Emphatische wieder stärker in den Vordergrund rückt.

Zeig mir Deine Wunde. Nicht
Arno Grün zufolge geht der Verlust der Empathiefähigkeit auf kulturelle Muster zurück, die sich mit dem Aufkommen sogenannter großer Zivilisationen herausbildeten: Besitz, Herrschaft und Unterwerfung, auf Grund derer sich der Mensch von seiner Fähigkeit zur Empathie distanzierte. Als Teil dieser Entwicklung beobachtet Grün die Entstehung von Religionen und Ideologien, die zur Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruchs Gehorsam förderten und Unterdrückung rechtfertigten. Verkürzt gesagt führte dieser Prozess zum Unterbinden eigener Bedürfnisse und emotionaler Zustände wie Schmerz und Leid. Die eigene Verletzlichkeit wird folglich als Schwäche begriffen, verleugnet und abgespalten. An ihre Stelle tritt der Konkurrenzkampf, denn „Macht und Eroberung machen die Kompensation und Negation von Ohnmacht, Unsicherheit und Schmerz möglich“, so Grün.

Unsere Bewusstseinsarchitektur hat sich also von der emphatischen hin zu einer primär kognitiven Wahrnehmung verändert. War die Frühgeschichte des Menschen von Kooperation und empathie­basierten Verhaltensmustern bestimmt, so traten im Laufe der sogenannten Zivilisationsgeschichte Prinzipien von Herrschaft, Erfolg und Leistung an ihre Stelle und schufen ein Bewusstsein, das auf abstrakten Ideen wie Wachstum und Profit basiert.

Auf die individuelle Entwicklung des Menschen bezogen, verändert sich laut Grün die vor und unmittelbar nach der Geburt vorhandene emphatische Wahrnehmung hin zu einem vermittelten und erlernten Verständnis der Welt, basierend auf den Erwartungen unserer Umwelt, zunächst der Eltern, später der Gesellschaft. Gemeinschaft wird mit dem Verlust von Individualität gleichgesetzt – einer Individualität, die sich, dem Prinzip der Anpassung folgend, letztlich doch an Stereotypen orientieren muss, um nicht marginalisiert zu werden. Eine Bewusstseinsveränderung, die Grün insbesondere in westlichen Gesellschaften verortet. Zum Vergleich verweist er auf die ausgeprägtere Diversität von Persönlichkeits- und Geschlechterkonstruktionen innerhalb indigener Gemeinschaften.

Gesellschaft der Normativität oder der Vielfalt?
Folgen wir diesem Gedanken, so führt der Verlust von Empathie zu einer Gesellschaft der Normativität und nicht der Vielfalt. Im Umkehrschluss bedarf es für die Entwicklung eines eigenständigen Selbst der Empathie. Auch und insbesondere für die aufrichtige Liebe und Akzeptanz der Individualität meines Gegenübers, die sich nicht in einer projizierten Eigenliebe erschöpfen soll.

Der entscheidende Unterschied zu verwandten Begriffen wie Mitgefühl, Mitleid oder auch der Sympathie liegt also darin, dass bei der hier beschriebenen Form der Empathie keine emotionale Verschmelzung stattfindet. Mit dem Soziologen Richard Sennett gesprochen, ist die Empathie eher eine „kühle“ Geisteshaltung. Mehr Dialog als Synthese, stellt sie nicht das Wiedererkennen meiner selbst, sondern das Erkennen des Anderen in den Vordergrund. Insofern ist Empathie eine energetisch anspruchsvolle innere Haltung, die Unterschiede nicht aufzulösen versucht, sondern einen von gegenseitigem Respekt und neugierigem Verständnis geprägten Rahmen schafft.

Gemeinschaft der Unterschiedlichen
Als wunderbares Beispiel einer empathischen Praxis als Grundlage für interdisziplinäre Kooperation erinnere ich mich an ein Gesprächsformat, das die brasilianische Kunsthistorikerin und Kuratorin ­Claudia Mattos vor einigen Jahren entwickelt und an unterschiedlichen Orten der Welt realisiert hat. Das Hauptanliegen des Formats bestand darin, unterschiedliche Wissensformen in Dialog treten zu lassen, Perspektiven auf Kunst, Wissenschaft und Kultur jenseits einer dominanten europäischen Sichtweise zu eröffnen und schließlich ein hegemoniales und enzyklopädisches Verständnis von Kunstgeschichte zu hinterfragen. Mattos stellte zu jeder Gesprächsrunde ein Objekt zur Verfügung, dessen Herkunft und Kontext nicht geklärt war. Gleichzeitig lud sie fünf bis sechs Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen ein, mit dem Objekt in Dialog zu treten und ihm aus ihrem jeweiligen kulturellen und professionellen Hintergrund heraus – als Choreograf*in, Politolog*in, Aktivist*in, Historiker*in, Musiker*in usw. – zu begegnen. Während des Gesprächs fächerten sich auf diese Weise Perspektiven auf, die sich in respektvoller Spannung zueinander und zu dem unbekannten Objekt verhielten und die doch gänzlich verschieden waren.

Empathie ist, wie hier geschehen, eine Form der Begegnung, die nicht ausschließlich zwischen Menschen stattfinden muss. Die aktive Rolle von Objekten in ihrer Wechselwirkung mit Menschen und anderen Lebensformen setzt einen empathischen Prozess in Gang, bei dem etwas Drittes entsteht. Ein „Dazwischen“. In diesem Fall ein neues Narrativ, das sich aus den einzelnen, sehr unterschiedlichen Betrachtungen zusammensetzt. Hier liegt die ästhetische Praxis der Ko-Autor*innenschaft verborgen und letztlich auch die Erkenntnis, dass der Rezeptionsprozess im allgemeinen und der von Kunst im speziellen aktiv durch die Betrachter*in geprägt ist. In Bezug auf die soziale Praxis wird Gemeinschaft in diesem Fall nicht auf Gleichheit oder Konsens, sondern auf der Basis von Unterschiedlichkeit gebildet. Sie kann Welten und Realitäten erfahrbar machen und uns daran erinnern – um es mit den Worten der Philosophin und Wissenschaftshistorikerin Donna J. Haraway zu sagen, – dass wir in einer Zeit leben, in der das Menschliche und das Nicht-Menschliche unentwirrbar durch die Notwendigkeit miteinander verbunden sind, gemeinsam eine lebenswertere Zukunft zu gestalten.

Wechselseitig rückwirkende Resonanz
Empathie bedeutet zu verstehen, dass wir unterschiedliche Realitäten erleben, abhängig von den Zuschreibungen, den Privilegien und Benachteiligungen, die wir erfahren, den Praxen, die wir ausüben, den Wissensformen, die wir rezipieren, den ökonomischen und lokalen Voraussetzungen, in die wir hineingeboren werden, und den unterschiedlichen Chancen, die sich daraus ergeben. Empathie bedeutet, diese Realitäten respektvoll wahrzunehmen, sie anzunehmen. Die vermeintlich wohlgemeinte Behauptung einer individuell als Realität wahrgenommenen Gleichheit der Geschlechter, der Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, oder der Gleichheit aller „vor dem Virus“, wie aktuell oft gehört, negiert individuelle Diskriminierungserfahrungen sowie unterschiedliche Risiken und Resilienzvoraussetzungen für bestimmte Teile der Gesellschaft.

Eine solche Behauptung befreit mich nicht von meiner eigenen Verantwortung, diesen ersehnten Zustand aktiv herbeizuführen. Denn letztlich müssen wir uns die Frage stellen, ob unser Handeln sich aus der Erkenntnis der Benachteiligung anderer motiviert, oder ob wir einfach nicht genug tun, um diese oft strukturell verankerte und damit von uns reproduzierte Benachteiligung abzuwenden. Letzteres ist der Fall. Empathie kostet Kraft, denn sie stellt meine Grundfesten in Frage, sie wirkt auf mich zurück als wechselseitige Resonanz, sie lässt mich spüren, dass ich mich bewegen muss.

Der Verlust von Empathie kann uns zu Tätern werden lassen. Er ermöglicht es uns, anderen das Menschsein abzusprechen und systematisch Gewalt auszuüben, um unsere Machtposition zu stärken. Er lässt uns aber ebenso verharren, wenn wir eigentlich handeln müssten. Ein gelungener empathischer Prozess jedoch zieht Handeln nach sich.

Dreischritt aus Fühlen, Verstehen, Handeln
Das hier gebrauchte Wir bezieht sich auf eine Mehrheitsgesellschaft, zu der ich mich auf Grund der Privilegien, die ich genieße, selbst hinzuzähle. Diese Mehrheitsgesellschaft steht in der Verantwortung, sich einzugestehen, dass unser Bewusstsein auf der Idee der Überlegenheit einiger und der Marginalisierung anderer aufbaut. Eine Idee der Überlegenheit, die sich insbesondere auf hierarchisierende Konzepte von Hautfarbe, Geschlecht und Herkunft stützt.

Empathie wiederum steht für eine innere Auseinandersetzung, für einen Dreischritt aus Fühlen, Verstehen und Handeln – dafür, Ungleichheit zu erkennen und die sozialen Konsequenzen unseres eigenen Handelns oder Nicht-Handelns daraufhin abzuschätzen. In der Stärkung eines emphatischen Bewusstseins liegt für mich die langfristige Chance auf ein polyphones gesellschaftliches Miteinander.

Das Konzept der Solidarität ist und bleibt dabei wichtig, gerade dann, wenn sich Menschen in kürzester Zeit auf ein notwendiges gemeinsames Handeln verständigen müssen. Aber – wie bereits Hannah Arendt mit Blick auf die Französische Revolution zu bedenken gab – diese Solidarisierung kann auch zur Sanktionierung derjeniger führen, die sich vermeintlich unsolidarisch verhalten. Die auf der Basis von geteiltem Interesse, Ideologie, Nationalität oder Moralvorstellungen geschlossene Gemeinschaft führt im schlechtesten Fall zu einer festgeschriebene Abgrenzung gegenüber anderen Gemeinschaften. Daher ist es wichtig, der Solidarität die Empathie an die Seite zu stellen.

Beziehungen zwischen Körpern, Objekten, Klängen
Die Auseinandersetzung mit Empathie tauchte in den letzten Jahren vermehrt im zeitgenössischen Tanz und der performativen Kunst auf. Oft in Kombination mit Fragestellungen zu Fürsorge, Achtsamkeit (Care) und der Auseinandersetzung mit rituellen Praxen aus dem sogenannten globalen Süden. Dass ein bestimmter Themenkomplex im hetero­topischen Ort der Kunst einen Hafen findet, bearbeitet und reflektiert wird, damit er von dort aus in die Gesellschaft zurückwirken kann, ist eigentlich immer ein Indiz für seine Verdrängung aus dem gesellschaftlichen Alltag. Und vielleicht liegt deshalb das widerständige Potenzial der Kunst unserer Zeit in der Auseinandersetzung mit eben diesen Fragen.

Die allgemeine Lust, sich mit dem weiten Feld der Empathie auseinanderzusetzen, war in jedem Fall spürbar, als wir 2019 am radialsystem – eher bündelnd, als neuerfindend – begannen, uns im Rahmen der Programmreihe New Empathies der Frage zu widmen, inwieweit künstlerische Praxis Strategien des Empathischen für sich nutzt oder empathisches Bewusstsein evoziert. Im Rahmen von Konzerten, Installationen, choreografischen Arbeiten, Workshops und Gesprächen näherten wir uns Möglichkeiten einer Praxis des Empathischen an und untersuchten deren Potenziale in Bezug auf künstlerische, technologische, politische und ökologische Fragestellungen.

Allen gezeigten Arbeiten war gemein, dass der Körper als Katalysator des menschlichen Erlebens im Zentrum stand und zugleich als sein Grenzbereich begriffen wurde. Der Tanz als verkörperte Praxis, bei der Resonanzen erzeugt werden, damit Bewusstsein entstehen kann, erschien in der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Empathie als besonders fruchtbar. Insofern war die choreografische Performance „Harleking“ des Künstler*innenduos Enrico Ticconi und Ginevra Panzetti, deren poröse Körper sich im Verlauf der Arbeit verflüssigen und in wechselnden Identitäten und Körpersprachen immer wieder neu zusammensetzen, paradigmatisch für den Ausgangspunkt der Serie.

Wechselvolle Beziehungen und Allianzen zwischen Körpern, Objekten und Klängen eröffneten auch in vielen der darauffolgenden Arbeiten poetische Räume, die insbesondere dann spürbar wurden, wenn sich das Gleichgewicht der Machtverhältnisse veränderte und gerade diejenigen Stimmen und Erzählungen, die gewöhnlich an den Rand gedrängt werden, in den Vordergrund traten. Zu einer empathischen Beziehung mit dem Nicht-Humanen lud beispielsweise Begüm Erciyas’ „Pillow Talk“ ein. Im Dialog mit einer künstlichen Stimme, die abwechselnd die Rollen einer*s Begleitenden, einer*s Vermittelnden oder eines Spiegels einnimmt, stellten sich bei dieser Produktion Fragen zu Intimität und Empathie zwischen Mensch und Algorithmus, die unbeantwortet in einer produktiven Schwebe blieben. Die Resonanz zwischen Körper und Objekt wiederum beleuchtete André Uerbas Choreografie „Burn Time“. Durch das choreografierte sequentielle Abbrennen dünner Bindfäden wurde hier eine Choreografie der Dinge erzeugt, deren eigenes Zeitregime ein kontemplatives „Sehen“ im Gegensatz zu einem zielgerichteten „Wiedererkennen“ anbot.

Virtuelle Räume als Orte der Empathie
Die letzte Ausgabe der Programmreihe sollte im Mai stattfinden. Aufgrund der Pandemie musste sie vorläufig abgesagt werden. Plötzlich wurde die Frage, wie wir trotz Mindestabstand und Kontaktverbot Sorge füreinander tragen und untereinander Resonanz erzeugen können als Basis für Gemeinschaft, Solidarität und gesellschaftliches Bewusstsein, schlagartig zu einer spürbaren Herausforderung. Damit aus der körperlichen Distanz keine soziale Isolation werden sollte, begannen wir im Rahmen der Online-Reihe New Empathies – Far from a distance die Möglichkeiten und Grenzen virtueller Räume als Orte der Empathie auszuloten, zu verschieben und zu reflektieren.

Dabei wollten wir nicht im Sinne einer Digitalisierung und Distribution von Inhalten möglichst viele Menschen erreichen, sondern aus der digitalen Sphäre heraus denken und dort gegebenenfalls nur Formate anbieten, die in ihrer Teilnehmer*innenzahl begrenzt waren. In Bezug auf den Tanz war uns darüber hinaus bewusst, dass dessen Rezeption sehr stark vom Wahrnehmen der nicht unmittelbar sichtbaren Beziehungen zwischen Körper und anderen Aktanten abhängt – eine pure Abbildung von Tanz kann im schlechtesten Fall denunzierend wirken. So entwickelten wir schon vor der Pandemie gemeinsam mit den Künstler*innen neue Ausdrucksformen – etwa im Workshop „What’s That Noise?“ von ­Sandhya Daemgen, der sich der Musik und der Deep Listening-Technik von Pauline Olivers widmete –, die nicht primär Tanz waren und doch choreografische Aspekte beinhalteten.

Dabei wurde ein weiteres Mal klar, wie viel Wissen der zeitgenössische Tanz dahingehend entwickelt hat, wie ein anderes Miteinander imaginiert, erspürt und umgesetzt werden kann. Dass diese Expertise nun, da sie besonders gebraucht wird, nicht angewendet werden kann, ist doppelt tragisch. Wir müssen Künstler*innen dafür Räume öffnen.

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