Ausgabe März-April 2022

Ideen fürs Nicht-Weiter-So

Begegnungen und Austausch: Die Gesprächsformate rund um die Tanzplattform Deutschland 2022 in Berlin.

"So wie jetzt wird es nicht für immer sein": Darum dreht sich das Rahmenprogramm "Begegnungen und Austausch" der Tanzplattform Deutschland 2022 in Berlin. Eingeladen zur Plattform ist Moritz Ostruschnjaks "TANZANWEISUNG" © Wilfried Hösel

Erstmals seit ihrem Gründungsjahr 1994 findet die Tanzplattform Deutschland wieder in Berlin statt. Das HAU Hebbel am Ufer, eine der elf Partnerinstitutionen im Verbund der Tanzplattform-Veranstalter*innen, organisiert dieses biennale Festival im März 2022 an unterschiedlichen Spielorten in der Stadt. Ausgewählt hat die Jury 13 aktuelle Produktionen und Posi­tionen des zeitgenössischen Tanzes. Begleitet wird die Tanzplattform immer auch von einem Rahmenprogramm: Barbara Greiner, die Begegnungen und Austausch konzipiert hat, stellt die Hintergründe und entstandenen Formate vor.

Text: Barbara Greiner
Produzentin


Ziemlich genau vor zwei Jahren fand in München die letzte Tanzplattform Deutschland statt. Vier Tage später schlossen erstmals die Türen unserer Theater. Das Selbstverständnis, mit dem wir unsere Arbeit bis zu diesem Zeitpunkt gemacht hatten, wich zu Beginn einer großen Ratlosigkeit und in einem weiteren Moment einem Innehalten. Die Pandemie hat die vorhandenen Schwächen im System offengelegt und globale und soziale Ungleichheiten sichtbar gemacht. Sie hat aber – zumindest in ihrem ersten Jahr – auch zeitliche Kapazitäten dafür geschaffen, unser Tun, unsere Strukturen und Zusammenhänge noch stärker zu reflektieren.

Aktuelle Themen im Fokus
In Berlin haben in den letzten Jahren Projekte wie MAD (Making a Difference), Diversity Arts Culture und die Arbeit der Steuerungsgruppe Tanzvermittlungszentrum den Diskurs um Zugänge, Perspektiven und Privilegien im Kulturbereich in den Fokus gerückt. Die internationale Tanzszene mag divers erscheinen und die Frage nach der Auflösung diskriminierender Mechanismen und Strukturen wird längst auf den Bühnen verhandelt.

Dies zeigt unter anderem die Auswahl der Stücke bei der Tanzplattform Deutschland 2022. Wo stehen wir aktuell mit diesen Themen auch jenseits der Bühnen?
Im Hinblick auf die Klimakatastrophe kommen auch wir nicht umhin, über ökologisches Produzieren und Präsentieren nachzudenken, gerade weil der internationale Austausch in der DNA des zeitgenössischen Tanzes liegt. Seit Jahren mahnen die Wissenschaften und eine junge Generation von Aktivist*innen, dass wir mit unserem Ressourcenverbrauch längst über unsere ökologischen Verhältnisse leben. Neben anderen Initiativen arbeitet zum Beispiel das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit mit Kultureinrichtungen daran, ihre Klimabilanz zu verbessern. Aber reicht das aus?

Gemeinsam über die Krise sprechen
Die Zäsur der Pandemie und die beschriebenen Entwicklungen führten im aktiven Dialog mit der Berliner Szene nun zur Diskursreihe Begegnungen und Austausch im Rahmen der Tanzplattform Deutschland 2022 in Berlin – eine Reflexion, eine Bestandsaufnahme, aber auch der Versuch, eine andere Zukunft zu imaginieren. Wie wollen wir zukünftig arbeiten oder vielmehr: Was muss sich an unseren Arbeitsweisen ändern, wenn wir die sozialen und ökologischen Folgen wirklich mitdenken?

In drei Themenblöcken, die dramaturgisch aufeinander aufbauen und sich in ihrer partizipativen Zugänglichkeit öffnen, werden wir gemeinsam mit den Künstler*innen der Plattform, der Berliner Szene, den (inter-)nationalen Gästen und dem Publikum die Herausforderungen der Zukunft verhandeln und diskutieren.

Das erste Panel zu Dance and Crisis ist eine Reflexion mit fünf geladenen Gästen, unter anderem den Künstler*innen Ricardo de Paula, Sophia Neises, Melanie Zimmermann (Kampnagel) und Ralf Ollertz (cie. toula limnaios). Mit ihnen sprechen wir über die sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie, die Herausforderungen für Institutionen, aber natürlich auch über die künstlerischen Aspekte des Arbeitens im Krisenmodus.

Dance and Society öffnet nach einem Impuls des Künstlers Adham Hafez am zweiten Tag das Podium auch für das Publikum. Mit der sogenannten Fishbowl Methode haben die Besucher*innen Gelegenheit, sich aktiv in die Diskussion mit den Expert*innen – Rita Mazza, Raphael Hillebrand, Jo Parkes, Elena Basteri von der Steuerungsgruppe Tanzvermittlungszentrum Berlin und andere – einzubringen und nachzuspüren, was wir bisher erreicht haben, aber noch mehr, wo es weiterhin an Bewusstsein über Privilegien und Zugänge fehlt.

Mit Dance and Transformation, dem letzten Thema der Reihe, werden ganz konkret neue Methoden gemeinsam mit dem Publikum erprobt. Nach Impulsen von Jakob Bilabel vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit und der internationalen Gruppe the autonomous board/Governance Of The Possible werden Initiativen wie die AG Work Culture des Vereins Zeitgenössischer Tanz Berlin (ZTB e.V.), die Tischgesellschaft von Antje Pfundtner in Gesellschaft und Maximilian Haas mit Sandra Umathum gemeinsam mit den Besucher*innen in Arbeitsgruppen sozial und ökologisch verträgliche Ansätze recherchieren.

Der zeitgenössische Tanz war immer am Puls der Zeit, wenn es darum ging, auf gesellschaftliche Fragen nicht nur zu reagieren, sondern sie mit künstlerischen Mitteln auch anzustoßen. Ein Paradigmenwechsel, die Transformation der Strukturen bleibt ein Prozess, den wir konstant mit neuem Wissen unterfüttern müssen. Dazu möchte die Tanzplattform Deutschland 2022 in Berlin mit ihrem Programm Begegnungen und Austausch einen Beitrag leisten.

Begegnungen und Austausch
17. – 19. März 2022
tak Theater Aufbau Kreuzberg
www.tanzplattform2022.de

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