Viel Raum, wenig Tanz?
Ein Team aus Stuttgart und Berlin wurde mit der Konzepterstellung für das Berliner Haus für Tanz und Choreografie betraut.
Als ein zentrales Ergebnis des Runden Tisch Tanz Berlin stand 2019 fest: Berlin braucht ein Haus für Tanz und Choreografie. Nun gibt es endlich ein Team, das ein Gutachten erstellen und erste Planungsschritte initiieren soll. Claudia Henne kommentiert.
Text: Claudia Henne
Tanzkritikerin und Kulturjournalistin
„Ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zu einem zukünftigen Haus für Tanz und Choreografie“ könne gegangen werden – heißt es in der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, die am 15. April 2021 veröffentlicht wurde und die endlich das Geheimnis lüftete, wem die fünfköpfige Jury und die Verwaltung zutraut, ein Konzept für das Berliner Tanzhaus zu erstellen. Projektmittel in Höhe von 105.000 Euro darf das Architekturbüro bez+kock aus Stuttgart im Team mit Lisa Densem, Ulrike Kuner, Moritz Majce, Shahrzad Rahmani und Frans Swarte bis Ende des Jahres dafür ausgeben.
Das für den Start der Konzeptionsphase vorgesehene Jahr 2020 ist ohne Ausschreibung seitens der Senatsverwaltung verstrichen, um das vom Runden Tisch Tanz Berlin (RTT) 2019 geforderte Haus für Tanz und Choreografie anzugehen. Jetzt hat es noch einmal zwei Monate gedauert, bis die Entscheidung, überhaupt mit einer Planung anzufangen, getroffen wurde. Das bedeutet, auf dem Team lastet ein enormer Zeitdruck. Denn bis Ende des Jahres soll nicht nur ein Konzept erarbeitet werden. Das machten die Berliner Tanzorte, die Akademie der Künste, zahlreiche in den RTT involvierte Künstler*innen und Journalist*innen sowie die mit der Konzeption eines Berliner Tanzarchivs und eines Tanzvermittlungszentrums beauftragten Expert*innen Anfang Februar in einem gemeinsamen Brief an den Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert deutlich: „Nicht zuletzt möchten wir noch einmal klarstellen..., dass das Ziel der aktuellen Konzeptionsphase nicht allein die Erstellung eines Gutachtens in Form eines weiteren Konzeptpapiers sein darf, sondern, dass 2021 bereits konkrete Planungsschritte eines mehrjährigen Realisierungsprozesses gegangen werden müssen.“
Sprich: Allen, die sich aus dem Runden Tisch Tanz Berlin heraus für ein Haus für Tanz und Choreografie engagieren, geht es vor allen Dingen um konkrete Fortschritte. Aber nicht nur deshalb ist die nun getroffene Auswahl überraschend. Nur die Tänzerin Lisa Densem und der Choreograf Moritz Majce, der Teil des Künstlerkollektivs Flutgraben Performances ist und als einziger an den Diskussionen am RTT beteiligt war und das mit durchaus kritischer Position, sind, neben Ulrike Kuner, die als Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit in Wien arbeitet, überhaupt im Tanz zuhause. Shahrzad Rahmani, Szenografin/Bühnenbildnerin, richtet in ihrer Arbeit den Fokus auf interdisziplinäre Räume und Installationen in theatralen, urbanen sowie performativen Kontexten. Auch Frans Swarte beschäftigt sich als Mitarbeiter von The Space Factory mit Räumen – in Theatern, Museen, Konzerthallen und mit Blick auf das Verhältnis von Raum und Publikum. Das renommierte Stuttgarter Architekturbüro bez+kock hat sich mit Kulturbauten profiliert, aber nicht in Berlin. Wie gut kennt das Team Berlin und die Kultur- und Tanzszene? Oder: Viel Raum, wenig Tanz?
Der RTT hatte klare Vorstellungen für das zukünftige Haus formuliert, und diese sind in die Bewerbungsanforderungen auch eingegangen. Ein komplexer Katalog, auf den die Antragsteller*innen in drei Wochen einen schlüssigen und überzeugenden Vorschlag einreichen mussten. Zur Bewertung der eingereichten Anträge hat sich die fünfköpfige Jury – allesamt tanzbewandert: Susanne Foellmer, Nele Hertling, Bettina Kogler, Bettina Masuch und Anna Mülter – letztlich vor allen Dingen zwei Anforderungen zueigen gemacht: Nur ein Team kann diese Aufgabe bewältigen, und es muss eine Entscheidung getroffen werden, damit der vom RTT eingeleitete Prozess nicht unterbrochen wird. So ist ihr Votum vor allem ein Signal, die Politik nicht aus der Verantwortung zu entlassen.
Hinter vorgehaltener Hand war zu erfahren, dass die Entscheidung schwierig war und kein Antrag auf Anhieb überzeugte. Deshalb machte die Jury auch klar, dass ein Projektbeirat her muss, der das Team mit ergänzenden Positionen fachlich begleitet und auch die kulturpolitische Relevanz des Gesamtvorhabens über 2021 hinaus unterstützt. Wir haben also – so sagte es auch Moritz Majce – am Ende diesen Jahres erst einmal nicht mehr als eine erste Antwort auf die Forderungen des RTT zu erwarten. Eine Grundlage, die so fundiert sein muss, dass mit ihr das zukünftige Haus für Tanz und Choreografie weiter entwickeln werden kann. Das heißt: Auch auf den noch zu benennenden Projektbeirat, der die Konzeptionsphase fachlich begleiten wird, kommt viel Arbeit zu.