Ausgabe November-Dezember 2024

Flutgraben Performances Residencies. Moving Community – Residenz als Praxis

v.l.n.r. Clément Layes, Adam Man, Moritz Majce. Foto: privat

Seit 2013 gestalten Clément Layes, Moritz Majce und Adam Man das Künstler*innenhaus Flutgraben mit verschiedenen Performance-Reihen. Ihr Residenzprogramm "Flutgraben Performances Residencies", das sie seit 2020 Dank der aus dem Runden Tisch Tanz hervorgegangenen Residenzförderung Tanz umsetzen können, versteht die Künstler*innenresidenz als eigenständige Praxis, deren Schwerpunkt auf Austausch und auf Beziehungen liegt. In ihrem Rückblick reflektieren sie über neue Auswahlverfahren, Gerechtigkeitsfragen und die Verbindung von Kunst und Communities.

Clément Layes, Moritz Majce, Adam Man
Künstler*innen und Co-Kurator*innen

 

Seit 2013 bespielen wir das Künstler*innenhaus Flutgraben mit verschiedenen Performance-Reihen und haben es zu einem der wichtigsten dezentralen Hotspots für Gegenwartstanz in Berlin gemacht. Seit 2020 findet unter unserer Leitung, zusammen mit Tiphaine Carrère, das Residenzprogramm Flutgraben Performances Residencies von Künstler*innen für Künstler*innen statt. Wir verstehen Residenz als eigenständiges Format und stellen die Arbeit an Beziehungen in dessen Zentrum: Wir widmen uns der Entwicklung neuer Weisen des Einladens, Zusammenarbeitens und miteinander Austauschens. Nach fünf Jahren und 20 Residenzkünstler*innen geben wir hier einen Einblick in unsere Praxis. Wir wollen so dazu beitragen, dem häufig als nebensächlich und vorbereitend verstandenen Genre der Künstler*innenresidenz mehr Gewicht zu verleihen. Wir arbeiten als Künstler*innen für und mit Künstler*innen. Das Bedürfnis nach künstlerischen Freiräumen steht für uns im Zentrum.

Wir finden es notwendig, Residenzen von Produktions- und Erwartungsdruck freizuhalten, damit künstlerisch Neues entstehen kann. Wir haben unseren Schwerpunkt von der Entwicklung von Produktionen auf die Entwicklung von Beziehungen verlegt. In unseren Residenzen entstehen partizipative künstlerisch-soziale Praxen und Events, Showings, Workshops, Rituale. Wir wollen unsere Residenzkünstler*innen in Kontakt bringen, sowohl miteinander als auch mit diversen Berliner Communities. Die Künstler*innen, die mit uns zusammenarbeiten, sind nicht nur unsere Gäste, sondern nehmen aktiv an der Gestaltung des Programms teil. Jede*r, die*der eine Residenz gemacht hat, wird zu einem Teil der FPR-Community, die die künftige Ausrichtung sowohl personell wie programmatisch mitbestimmt. Ein wesentlicher Aspekt ist die Auswahl der teilnehmenden Künstler*innen. Alle unsere Residenzkünstler*innen werden über ein von uns gemeinsam entwickeltes Auswahlverfahren bestimmt: Seit Beginn des Programms entschied jede*r FPR-Künstler*in über eine*n weitere*n Künstler*in als Nachfolger*in. Die Art und Weise des jeweiligen Auswahlprozess wird von der*dem auswählenden Künstler*in selbst bestimmt. Das reicht von Open Calls zu Ausschreibungen mit inhaltlicher Themensetzung bis zu individuellen persönlichen Einladungen oder Begegnungen. Die*der auswählende Künstler*in präsentiert, begründet und diskutiert ihre*seine Wahl inklusive der dafür eingesetzten Auswahlmethode in größerer Runde. Uns interessiert die Auseinandersetzung mit Kriterien zur Beurteilung künstlerischer Qualität bei gleichzeitigen Kriterien wie Gerechtigkeit und Zugang sowie die Herausforderung, neue Weisen des Auswählens zu finden. So entsteht eine diverse und heterogene Gruppe von Personen aus verschiedenen Kontexten und mit internationalen Biografien, die sich unterschiedlichen künstlerischen Interessen, persönlichen Herangehensweisen und Auswahlprinzipien verdankt. Die Frage nach gerechten Auswahlverfahren ist ein ständiger Diskussionspunkt in der Berliner Künstler*innenförderung. Wir verstehen unser Programm als einen Forschungsansatz für zukünftige Modelle, was eine Residenz sein kann. Was sie bisher nicht war. Im nächsten Jahr wollen wir uns z. B. mit möglichen Kooperationen mit Organisationen aus anderen Bereichen, wie Mental Health, beschäftigen.

Wir wollen unsere Praxis einer gemeinsamen und ergebnisoffenen Entwicklung des Formats Residenz, die eine intensivere Beziehung der Teilnehmenden sowohl untereinander, zu diversen Communitys wie auch zur Gesellschaft als Gesamtheit ermöglicht, weiterführen und entfalten. Wir sind überzeugt, dass es in Zeiten zunehmender Prekarisierung der Tanzszene und insgesamt gesellschaftlicher Polarisierungen wichtig ist, zusammen an Formen des Empowerments und der Stärkung wechselseitiger Beziehungen zu arbeiten. Gerade ein ergebnisoffenes Format wie die Residenz kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.

 

www.flutgrabenperformances.org

 

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