woran denkt Ihr zuerst, wenn Ihr an Kitsch denkt? Vielleicht an Gartenzwerge, weinende Madonnen oder Winkekatzen. Vielleicht auch an rosa Tutus, oder an etwas ganz anderes.

Diese Ausgabe widmet sich der Verbindung von Tanz mit der klischeebehafteten, gefühlsüberladenen Welt des Kitsches. Wie nutzen Choreograf*innen Kitsch als bewusstes Stilmittel, um Geschichten zu erzählen, die berühren? Und warum sind Geschmacksfragen immer auch politische Fragen? Die vermeintlichen Grenzen zwischen Hoch- und Trivialkultur und das Oppositionspaar Kunst versus Kitschhinterlassen bis heute Spuren in unserer Wahrnehmung von (Tanz-)Kunst.

Zum Verschwimmen dieser Grenzen, zu Pathos, großen Emotionen und Geschmäckern im Tanz habe ich Prof. Dr. Mariama Diagne befragt. Im Interview Is it Just Bad Taste? reflektiert die Tanzwissenschaftlerin über die Verbindung von Tanz und Kitsch als Spiegel gesellschaftlicher und historischer Kontexte, und eröffnet eine intersektionale Perspektiven auf Kitsch. Eine politische Perspektive auf Kitsch in der Kunst nimmt auch die Choreografin, Performerin und Drag Queen Olympia Bukkakis ein: In ihrem Essay Too Much is Never Enough: A Love Letter to Bad Girls and Melodrama Suits Her schreibt sie über Camp und dessen politisches und oft vernachlässigtes Potenzial für die Tanz- und Performancekunst. Außerdem in diesem Heft: Ein Plädoyer für Künst-ler*innenresidenzen von Clément Layes, Moritz Majce und Adam Man. In ihrem Text Flutgraben Performances Residencies. Moving Community – Residenz als Praxis machen sich die drei Künstler*innen und Leiter*innen des Residenzprogramms im Flutgraben stark für künstlerische Freiräume fernab von Produktions- und Erwartungsdruck.

Der Winter rückt näher und die Lichter der Vorweih-nachtszeit verändern das Stadtbild, ein ereignisreiches und nicht ganz einfaches Jahr geht zu Ende. Im Rahmen der Kampagne #BerlinIstKultur haben sich alle Kulturschaffenden zusammengetan, um gegen die drohenden Kürzungen im Berliner Kulturhaushalt aufzustehen. Gehofft wird auf ein Einlenken der Berliner Regierung. Klingt kitschig, ist aber bitterernst. Unterstützen könnt auch Ihr mit einer Unterschrift der Petition (siehe Heftrückseite) oder kommt zur Demo am 13. November!

Trotzdem gibt es bis Jahresende noch viel zu sehen: z.B. beim Unidram Festival im T-Werk und der fabrik Potsdam vom 5. bis 9. November, beim Tanznacht Forum EXPANDED in der Tanzfabrik Berlin / Grüntaler 9 vom 5. bis 26. November oder bei den vielen weiteren Aufführungen in Berlin und Brandenburg. Die Übersicht findet Ihr im Tanzkalender, dazu Veranstaltungstipps in sechs Kurzvorschauen auf Premie-ren und Festivals. Außerdem am Heftende natürlich wie immer die Bodyscopes unserer Kolumnistin Nicola van Straaten mit ihren Interpretationen der Sterne für alle Tierkreiszeichen im November und Dezember.

Ich wünsche Euch trotz andauernder Krisen ein möglichst stressarmes Jahresende, ein schön-kitschiges Fest falls Ihr Weihnachten feiert und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Viel Spaß beim Lesen

Johanna Withelm

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