Theater ohne Care? Nicht mit uns! Die AG Tanz und Elternschaft ist eine Arbeitsgemeinschaft des ZTB e. V. und besteht seit 2020 – der Zusammenschluss aus aktuell elf Frauen arbeitet selbstorganisiert und ehrenamtlich mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen von Tanzschaffenden in Elternschaft zu verbessern. Im gemeinsamen Austausch identifiziert und analysiert die AG bestehende Defizite, Benachteiligungen und Barrieren in der Tanzszene und im Fördersystem und erarbeitet konkrete Lösungsansätze, um diese zu überwinden. Neben verschiedenen Aktivitäten wie der Durchführung von Artists Labs und Kunstaktionen sowie der Teilnahme an Konferenzen und Austauschtreffen hat die Gruppe im Jahr 2023 den Kids and Caregivers Rider für Tanz- und Theaterorte erstellt.
KIDS AND CAREGIVERS RIDER – eine Handlungsempfehlung
Unser Anliegen ist es, Tanz- und Theaterorte lebendig, offen und durchlässig zu denken, als Orte, an denen das Potenzial von Sorgetragenden, Familien und Kindern als Publika mitgedacht und wertgeschätzt wird.
Was könnt ihr sofort oder zeitnah umsetzen? Welche Ressourcen sind bei euch bereits vorhanden, um nachhaltig und zukunftsweisend ein familienfreundliches Konzept für Veranstaltungen und/oder eure Spielstätte zu etablieren? Was fehlt noch und bedarf weiterer finanzieller Mittel?
Aufgefächert in einzelne Kategorien, ist der Rider eine praktische Handlungsempfehlung für Tanz und die darstellenden Künste, um Eltern, Sorgetragende und Familien als Publikum zu gewinnen.
Konzipiert von der Ag Tanz und Elternschaft, ZTB e. V., Berlin
im Rahmen des Evaluationslabors Artist Lab / Get labelled: Parents in Theaters!, Berlin 2023
Veranstaltungsformate
Welche Gegebenheiten erleichtern einen Vorstellungsbesuch mit Kindern?
Welche Formate eignen sich besonders für Familien/Sorgetragende?
Kommunikation
Wie kommuniziert ihr transparent Programminhalte, Räumlichkeiten und Rahmenbedingungen von Veranstaltungen im Hinblick auf Eltern, Sorgetragende und Kinder als Publikum? Welche Willkommenskultur lebt ihr? Diese äußert sich z. B. so:
Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Transparente Kommunikation hinsichtlich:
Mit dem Publikum
Wie sprecht ihr vor Ort euer Publikum an, um Verständnis und Akzeptanz aller Anwesenden füreinander zu fördern? Beachtet z. B.:
Intern/Team
Kennen eure (Gast)Künstler*innen eure bestehenden familienfreundlichen Konditionen?
Informiert ihr eure Mitarbeitenden in allen Bereichen über familienfreundliche Angebote und räumliche Gegebenheiten? Beispielsweise über:
Raum
Sind eure Räume (drinnen und draußen) so gestaltet und ausgestattet, dass sie die Bedürfnisse von Familien und Sorgetragenden als Publikum erfüllen? Ist räumlich sichtbar, dass der Ort familienfreundlich ist? Dies kann beinhalten:
Personal
Wer konzipiert und betreut familienfreundliche Angebote? Welche Personalressourcen sind bereits vorhanden, wo bedarf es externer Unterstützung? Folgende Möglichkeiten gibt es:
Zusatzangebote und Begleitprogramm:
Wie macht ihr den Veranstaltungsbesuch für Publika von Familien und Sorgetragenden durch spezifische Angebote attraktiv? Einige Ideen hierfür:
Zeitgestaltung
Wie berücksichtigt ihr Familien und Sorgetragende in der Zeitgestaltung von Veranstaltungen? Dabei könnt ihr bedenken:
Preisgestaltung
Wie setzt ihr eine familienfreundliche Preisgestaltung um? Das ist dabei wichtig:
Netzwerke/Initiativen
Wen könnt ihr anfragen? Weitere Expert*innen:
Credits:
Artist Lab “Get labelled: Parents in Theaters!” Ein Evaluations-Labor der Ag Tanz und Elternschaft, Träger: Zeitgenössischer Tanz Berlin e. V. (ZTB)
Die Bundesweiten Artist Labs waren eine Maßnahme des Fonds Darstellende Künste und wurden finanziert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.
https://tanz-und-elternschaft.de/kids-rider/
https://tanz-und-elternschaft.de/en/kids-and-caregivers-rider/
Mini-Interview mit der AG Tanz und Elternschaft des ZTB e. V.
Wie hat sich die AG Tanz und Elternschaft gegründet, und wie arbeitet ihr als Gruppe heute konkret zusammen?
Unsere AG entstand 2020 auf Initiative von Jenny Haack, mitten in der Pandemie, als der Alltag mit Kindern besonders herausfordernd war. Wir – alles Tänzerinnen und Choreografinnen mit Kindern – suchten Austausch, Unterstützung und Verständnis füreinander. Schnell wurde klar: Elternschaft hat in unserem Beruf kaum Platz. Wir verstecken sie in Lebensläufen, verpassen wichtige Veranstaltungen wegen fehlender Kinderbetreuung. Viele Häuser sind nicht familienfreundlich. Deshalb suchten wir das Gespräch mit Residenzorten, Veranstalter*innen und Jurys, um sie auf die vielen Hürden aufmerksam zu machen – und stießen auf offene Ohren. So wurde aus persönlichem Austausch eine kulturpolitisch aktive Gruppe.
Wie könnten Förderstrukturen oder Kulturpolitik dazu beitragen, Elternfreundlichkeit in der Freien Szene nachhaltig zu verankern?
Förderstrukturen und Kulturpolitik können viel zur Elternfreundlichkeit in der Freien Szene beitragen. Wichtig wäre, Anträge so zu gestalten, dass Elternschaft und Care-Arbeit anerkannt und nicht als Lücken gewertet werden. Betreuungskosten sollten förderfähig sein. Auch eine gezielte Einstiegsförderung nach Schwangerschaft und Elternzeit wäre ein wichtiger Schritt. Unsere AG entwickelte den „Kids & Caregivers Rider“ mit konkreten Maßnahmen für familienfreundlichere Räume, Abläufe und Zeitstrukturen. Zudem braucht es mehr Mehrgenerationalität im Publikum – z. B. durch Relaxed Performances, die verschiedene Lebensrealitäten mitdenken. Das baut Barrieren ab und diversifiziert das Publikum.
Inwiefern verändert ein familienfreundlicher Ansatz nicht nur den Zugang, sondern auch Ästhetik, Themen und Formen des Tanzes?
Ein familienfreundlicher Ansatz sensibilisiert für unterschiedliche Lebensrealitäten und macht Barrieren sichtbar – nicht nur für Eltern, sondern auch für viele andere. Er reiht sich hiermit in jene Ansätze ein, die sich bemühen eine Kulturpraxis zu entwickeln, die von Gleichberechtigung, Teilhabe und Empowerment geprägt ist. Familienfreundlichkeit ist keine Nebensache der Organisation, sondern ein künstlerisches Prinzip, das Strukturen und Formate im Tanz verändert: Flexible Abläufe, vielschichtige Körperlichkeiten und die Nutzung vielfältiger Räume schaffen neue Formen von Präsenz und Begegnung. Wann immer Care-Arbeit künstlerisch mitgedacht wird, verändert sich nicht nur, wer teilhaben kann – sondern auch, wie und worüber erzählt wird.
Was sind eure nächsten Ziele oder Projekte – gibt es neue Initiativen in Planung?
Aktuell befinden wir uns in der Neugründung eines Vereins, um unsere kulturpolitische Arbeit und künstlerischen Formate nachhaltig zu verankern. Wir wollen uns europaweit stärker vernetzen, den Austausch mit Partner*innen ausbauen und neue performative Formate entwickeln. Derzeit entsteht eine „Bewegungsbaustelle“ im öffentlichen Raum – ein generationsübergreifender Parcours zur aktiven Teilhabe. Im November begrüßen wir Kolleginnen aus Prag für ein gemeinsames, elternfreundliches Projekt in der Tanzfabrik Berlin. Auch wissenschaftliche Forschung zu Elternschaft und Care-Arbeit im Tanz ist Teil unseres Interesses: Wir wollen Wissen bündeln, weiterentwickeln und öffentlich sichtbar machen.
Aktuelle Besetzung der AG und/oder Mitarbeit Kids and Caregivers Rider:
Claudia Garbe, Jenny Haack, Anja Kolmanics, Raisa Kröger, Isabel Mohn, Diana Naber, Saskia Oidtmann, Linda Scholz, Steffi Sembdner-Erfurt, Johanne Timm, Jasna L. Vinovrški, Maria Walser, Anna Weißenfels
www.tanz-und-elternschaft.de
follow us