gemeinsam sind wir stark: Die Freie Berliner Tanzszene gilt als weltweit anerkanntes Vorbild für kollektive und nichthierarchische Prozesse und Strukturen, weil sie seit Jahrzehnten alternative Modelle der Zusammenarbeit erprobt und weiterentwickelt. In den 1970er- und 1980er-Jahren als Gegenentwurf zu institutionalisierten Strukturen entwickelt, sind Selbstorganisation und Mitbestimmung in der Tanzszene bis heute zentral – als kollektive Kunstform ist der Tanz die Triebkraft für solidarische Modelle des Teilens und fördert kulturelle Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gleichzeitig drohen diese Modelle und Errungenschaften durch die Sparmaßnahmen der Senatsverwaltung, aber auch durch steigende Lebenshaltungskosten, den angespannten Wohnungsmarkt und das Schwinden der kreativen Freiräume in Berlin zu bröckeln, die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse lassen viele Tanzschaffende zunehmend ausbrennen.
Wie Solidarität und Zusammenhalt jedoch auch als Form des Widerstands innerhalb eines effizienzbasierten neoliberalen Systems betrachtet werden kann, darüber schreibt die Dramaturgin Jette Büchsenschütz in ihrem Essay Not good enough oder: Depression als Metapher. Sie plädiert dafür, negative Emotionen nicht als individuelles Defizit zu begreifen das repariert werden muss, sondern als eine kollektive Ausdrucksweise des Einspruchs und des Protests. Und wie funktionieren kollektive Praktiken in der Kunst? Dazu habe ich die Choreografin Alice Chauchat interviewt – wir haben über ihre künstlerische Praxis gesprochen, die sich oft um kollektives Engagement dreht, und über das von ihr mitgegründete und gemeinschaftlich selbstverwaltete Hausprojekt Kumi*13 in Berlin-Schöneberg. Außerdem stellen wir in diesem Heft das jüngste Beispiel kollektiver Superpower der Freien Tanzszene vor: Das vor wenigen Monaten gegründete Freelance Dance Ensemble Berlin. Das lose Kollektiv von Tanzschaffenden will die Größe, Komplexität und künstlerische Qualität der Szene sichtbar machen, Widerstand gegen die aktuellen Kürzungen leisten und für systemische Veränderungen sowie für eine blühende und nachhaltige Kunstszene kämpfen.
Der Frühling ist da und mit ihm kommt der Aufbruch: Es gibt viel Tanz zu sehen in Berlin und Brandenburg. Zum Beispiel beim Theatertreffen 2025 vom 2. bis 28. Mai – dort sind in diesem Jahr mit Sancta von Florentina Holzinger und Kontakthof – Echoes of ’78 von Meryl Tankard gleich zwei Tanz-Produktionen vertreten, bei den Potsdamer Tanztagen vom 13. bis 25. Mai, beim soundance festival berlin vom 19. bis 22. Juni im Dock 11 / Dock Art oder bei den vielen weiteren Vorstellungen und Festivals. Eine Übersicht findet ihr im Tanzkalender in der Heftmitte sowie sechs Kurzvorschauen auf ausgewählte Uraufführungen und Berlin-Premieren im Mai und Juni.
Haltet zusammen, und genießt den Frühling.
Viel Spaß beim Lesen,
Johanna Withelm
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