map Symposium

Werkstattgespräch: mapping dance berlin

Am 19.01.2018, 14:00 Uhr

Im Rahmen des ersten Werkstattgesprächs des Ausschreibungsprogramms mapping-dance-berlin versammelten sich 15 Akteur*innen aus dem Feld der Tanzvermittlung und tauschten sich zu ihren Erfahrungen aus.

Von den im Zeitraum Herbst 2016 bis Januar 2017 insgesamt 15 geförderten mapping-dance-berlin-Projekten waren 10 Vertreter*innen anwesend, ebenso die Outside-Eye-Expertinnen Sonja Augart, Silke Bake und Maren Witte, die Jurymitglieder Eva-Maria Hoerster und Peter Pleyer sowie die Vertreterinnen des Tanzbüros Berlin. In einer dreiteiligen Struktur befragten Künstler*innen und Vermittler*innen einander, gaben Outside-Eye-Expertinnen und Jurymitglieder*innen Feedback und wurden Empfehlungen ausgesprochen für zukünftige Formate und Förderprogramme in der Vermittlungsarbeit. Moderiert wurde die Runde von Susanne Foellmer .

Gleich zu Anfang rückte das Publikum in den Mittelpunkt des Gesprächs. Als bedeutsamste Haltung kristallisierte sich heraus: Eine wirkungsvolle Vermittlungsarbeit braucht – neben finanziellen Ressourcen – die Auseinandersetzung mit dem eigenen Publikum. Sie braucht die Reflektion darüber, wen man mit der eigenen Kunst erreicht und wen man erreichen möchte. Das Publikum im künstlerischen Entstehungsprozess und in der Programmentwicklung von Festival oder Spielstätten mitzudenken, sei Voraussetzung einer wirkungsvollen Vermittlungsarbeit. Denn abhängig vom Anliegen und dessen Kommunikation ist, wer sich angesprochen fühlt und kommt, so Sonja Augart. Sei es der Kommunikationskanal oder die Wahl der Veranstaltungssprache, sei es Inhalt oder Ästhetik der künstlerischen oder vermittelnden Praxis – jedes Element hat Einfluss auf die Zusammensetzung des Publikums. Und das, so Tenor der Runde, solle divers sein. Mit der Betonung der Diversität kamen auch die damit verbundene Schwierigkeiten zur Sprache: Mangelnde Gelder und damit fehlende Ressourcen wie Zeit, Personal oder Zugang zu Kommunikationskanälen, teils fehlendes Interesse seitens der Bevölkerung und seitens Spielstätten. Einzelne _mapping-dance-berlin_-Projektleiter*innen berichteten vom hohen Zeitaufwand für Formate, die sich an bühnentanzferne Menschen wenden, und von der Schwierigkeit, neue Zuschauer*innen nachhaltig zu gewinnen.

In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage nach der Relevanz von Vermittlungsformaten: Wann stießen die mapping-dance-berlin-Akteur*innen auf Resonanz? Wann empfanden sie und die Coaches die entwickelten Formate als sinnvoll und produktiv? Im Rahmen von Frei-Raum / Time to meet von Renae Shadler und David Bloom wurde der Vermittlungsaspekt als bereichernd erlebt, weil er in eine work-in-progress-Arbeit eingebunden war, deren Anliegen war, die Stimmen des Publikums im Moment der Kunsterfahrung einzufangen. Zudem waren die Besucher*innen eingeladen, sich frei zu bewegen und am Geschehen Teil zunehmen, was für viele Besucher*innen eine ungewohnten Publikumssituation war. Das Vermittlungsformat erleichterte dabei den Zugang zur Raumsituation und beförderte die Teilnahme. Im Rahmen partizipativer Formate, so Susanne Martin, seien Vermittlungsformate besonders sinnvoll und teils notwendig. Bereichernd seien Vermittlungsräume auch, wenn sie tanzfernen Menschen ermöglichen, die rezipierte Tanzkunst am eigenen Körper zu erfahren und aus dieser Erfahrung heraus über das Erlebte zu sprechen, wie es z.B. Anliegen der Vermittlungsformate des Purple-Festivals war. Und politisch wird Vermittlung, wenn sie Vielstimmigkeit im Austausch über die Kunst produziert, wie es etwa die Arbeit Resonanzraum von Diego Agulló tat.
In Rahmen ihrer _mapping-dance-berlin_-Projekte stießen die meisten Initiator*innen auf gute bis sehr gute Resonanz seitens des Publikums. In Projekten, die sich an spezifischere Zielgruppen richteten, war die Nachfrage tendenziell geringer. Und im Fall digitaler und technikbasierter Formate ließ sie sich nur beschränkt erfassen.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit Aspekten bzgl. des Publikums verschob sich der Fokus des Gesprächs auf die Akteur*innen der Tanzszene. Die Frage nach der Verantwortlichkeit wurde gestellt. Die Frage danach, bei wem der Akteur*innen – Künstler*innen, Dramaturg*innen, Kurator*innen, Spielstätten – sie denn läge. Man war sich einig: Vermittlung betrifft jeden der Akteur*innen, da der Zugang von Menschen zur Kunst für sie alle von Belang ist. Wiederrum abhängig von der Absicht einer Vermittlungsinitiative ist, wer konkret verantwortlich und zuständig ist. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Interessen der verschiedenen Akteur*innen ggf. kollidieren können. Während Spielstätten tendenziell Audiencedevelopment im Sinne von Marketing anstreben, ist vordergründiges Anliegen von Künstler*innen und Dramaturg*innen in der Regel das Schaffen von Dialog- und Erfahrungsräumen.

Einigkeit bestand auch darin, dass die Tanzvermittlung mehr Förderung braucht, v.a. um zeit- und kostenintensivere Projekte realisieren zu können, wie es Projekte im Rahmen der Publikumsentwicklung oft sind. Kostenintensiv sind auch digitale Formate, wie sie Vincent Bozek und Clement Layes im Rahmen von mapping dance entwickelten. Formate, deren Bedeutung zunimmt angesichts des Kommunikations- und Konsument*innenverhaltens der jungen Generation. Auch die Weiterentwicklung bereits bestehender Initiativen wäre durch eine bessere Finanzierung möglich. Bestehende Formate könnten dann in verschiedenen Kontexten, an unterschiedlichen Spielstätten mit wechselndem Publikum und verschiedenen Zielgruppen erprobt werden, Feedback könnte integriert werden, und die Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Vermittlungsarbeit würde erhöht werden.

Was die Tanzvermittlung strukturell braucht, um gestärkt zu werden, lautete die Abschlussfrage der Werkstattrunde. Und damit verbunden war die Überlegung, wie sich das Tanzbüro Berlin als kulturpolitische Interessensvertreterin dieses Feldes noch besser aufstellen kann. Was die Tanzvermittlung braucht, so Aussagen von Teilnehmer*innen, sei mehr Sichtbarkeit, eine Interessensvertretung für Tanzvermittler*innen und eine gemeinsame und gut ausgebaute Kommunikationsplattform mit spannenden und anschlussfähigen Kommunikationsstrategien. Vor allem aber braucht sie den Rückhalt seitens alle betroffenen Akteur*innen – der Künstler*innen, Kurator*innen, Dramaturg*innen, Produzenten*innen und Kulturpolitiker*innen. Unterstützend dafür sei ein regelmäßigerer Austausch untereinander. Austausch, wie er in der Werkstattrunde und auf dem Symposium stattfand.

Dokumentation: Christin Schmidt

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