Der aktuelle Haushaltsentwurf der Berliner Kulturverwaltung gefährdet die Existenz der überwiegend Freien Tanzszene in der Hauptstadt. Mit massiven Kürzungen und unzureichend ausgestatteten Fördertöpfen verschärft der Entwurf eine bereits chronische Prekarität – und setzt damit Berlins internationale Stellung als Metropole des zeitgenössischen Tanzes aufs Spiel. Die rund 2.500 Tanzschaffenden Berlins leben und arbeiten weit unterhalb eines würdevollen Existenzminimums und mit unzureichender sozialer Absicherung, viele Akteur*innen blicken der drohenden Altersarmut entgegen.
Verschonung der Freien Szene: Fehlanzeige
Die Freie Szene sei nur noch Haut und Knochen und solle im Rahmen der Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2026/27 verschont werden – so die öffentlichen Äußerungen der Kultursenatorin Wedl-Wilson vor Aufstellung des Haushaltsentwurfs. Ein Blick in die vorliegenden Zahlen offenbart hingegen ein ganz anderes Bild: Schon der Status Quo ohne weitere Kürzungen in der Freien Szene hätte angesichts von Förderquoten unter 10% als “Verschonung” zynisch angemutet, es wurden darüber hinaus aber ganz faktische Kürzungen vorgenommen. Die Korrekturen im Rahmen der zweiten Lesung im Kulturausschuss ändern an diesem Gesamtbild kaum etwas.
Für den Tanz in der Hauptstadt besonders fatal:
- In der Projektförderung Darstellende Künste/Tanz werden nach Bereinigung durch den Kulturausschuss noch immer 150.000€ gekürzt, was zahlreiche geplante Tanzproduktionen und Kooperationsprojekte bedroht, auf die auch die Spielstätten des Tanzes angewiesen sind. Als generationenübergreifender Topf von der Einstiegsförderung bis zur vierjährigen Konzeptförderung für Ensembles und Kollektive ohne feste Spielstätte konzipiert, findet keine Anpassung an die steigenden Produktions- und Lebenshaltungskosten statt und erhöht sich die Konkurrenz zwischen den verschiedenen künstlerischen Karrierestufen auf ein unerträgliches Maß. Da die Konzeptförderung für Ensembles und Kollektive kaum mehr Raum für künstlerisches Arbeiten zulässt, bewerben sich die geförderten Kompanien weiter um zusätzliche Projektmittel.
- Die drastischen Einschnitte im Arbeitsraumprogramm gefährden die Arbeitsbedingungen der Raumkunst Tanz aufs Äußerste.
- Das für die Arbeitsweise im zeitgenössischen Tanz sehr wichtige Programm der Künstlerischen Forschung ist komplett gestrichen!
- Am 22. November wird in der Lucy-Lameck-Str. 32 das Junge Tanzhaus eröffnet, ein großartiges Projekt für Junges Publikum, das laut aktuellen Plänen von den noch vor einem Jahr zugesicherten Mitteln i.H.v. 1.070.000€ lediglich 550.000€ erhalten wird. Wie soll ein Ort dieser Größe mit der Hälfte der vorgesehenen Mittel bespielt werden?
Zum Beispiel in dem - wie 2025 geschehen - Mittelverschiebungen innerhalb der Tanzförderungen vollzogen werden, die eigentlich an ganz anderer Stelle für ein breites Feld des Tanzes gedacht waren: etwa Mittel für diverse Akteur*innen im Bereich Tanz für Junges Publikum sowie Mittel zur Umsetzung des Entwicklungsplans Runder Tisch Tanz. Solche Verschiebungen sind möglich, weil der Haushaltsentwurf durch zu vage Zuschreibungen Spielräume offen hält, die frühere Vereinbarungen mit dem Tanz nivellieren. Der Bitte nach einer festen Zuschreibung der Töpfe für den Tanz wurde im Rahmen der Haushaltsverhandlungen bislang nicht entsprochen. Erneute Mittelverschiebungen dieser Art kommen faktischen Kürzungen gleich und spielen die Akteur*innen der Berliner Tanzszene auf unwürdige Weise gegeneinander aus.
Ohne Existenz keine Transformation
Diese Einschnitte treffen eine Sparte, die strukturell seit jeher nicht institutionell abgesichert ist. Umso absurder, dass der Haushaltsplan einen Transformationsfonds in Höhe von 40 Millionen € für die nächsten zwei Jahre vorsieht, der die großen Kultureinrichtungen resilienter gestalten soll - nur eben nicht den Tanz, weil ihm schließlich jegliche Institution fehlt. Seit Jahrzehnten kämpft der Tanz für ein Haus für Tanz und Choreografie, das ihm eine institutionelle Verankerung geben würde, ernsthafte Schritte dorthin bleiben ihm aber bislang verwehrt. Was das Fehlen einer solchen Institution bedeutet, zeigt der kürzlich öffentlich gemachte Verlust der Volksbühne als Heimspielstätte der Berliner Choreografin Constanza Macras, die mit ihrer Company Dorkypark zwar konzeptgefördert ist, aber über keinen eigenen Spielort verfügt. Exemplarisch für die Biografien Berliner Tanzschaffender.
Um die Zukunft des Tanzes in Berlin zu sichern, fordert das TanzRaumBerlin Netzwerk im Rahmen der Haushaltsverhandlungen dazu auf:
- die geplanten Kürzungen zulasten der Freien Szene, darin das Programm zur Künstlerischen Forschung, vollständig zurückzunehmen sowie die Projektförderinstrumente und Stipendienprogramme der Darstellenden Künste und des Tanzes substanziell aufzustocken und an die Arbeitsrealität der Künstler*innen anzupassen, beispielsweise die Ergänzung der Konzeptförderung der Ensembles und Kollektive um zusätzliche Mittel zur Umsetzung künstlerischer Projekte.
- das Arbeitsraumprogramm als lang erkämpfte Maßnahme zur Stärkung der Freien Szene angemessen auszustatten und die Kürzungen der ausführenden Einrichtungen Kultur Raum Berlin gGmbH sowie Raumbüro Freie Szene zurückzunehmen.
- eine transparente Mittelzuordnung im Haushalt vorzunehmen, um Verschiebungen zulasten bestehender Programme zu verhindern.
- die 2024 im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zugesagten Mittel für das Junge Tanzhaus in der Lucy-Lameck-Str. 32 i.H.v. 1.070.000€ wie vorgesehen bereitzustellen.
den Transformationsfonds dahingehend anzupassen, dass er ausdrücklich auch Sparten ohne feste Häuser einbezieht, wenn dieses Instrument seinem Namen gerecht werden soll.
Berlin kann es sich nicht leisten, eine seiner zentralen kulturellen Kräfte weiter auszuhöhlen. Transformation beginnt mit Existenz – und damit mit der verlässlichen Unterstützung jener, die täglich die kulturelle Substanz dieser Stadt schaffen.
TanzRaumBerlin Netzwerk
Zeitgenössischer Tanz Berlin e.V.
Tanzbüro Berlin
Kontakt:
TanzRaumBerlin Netzwerk
℅ Tanzbüro Berlin
netzwerk@tanzraumberlin.de
+49 30 460643 51