Aktuelles inter-/national

Der Meckerchor: Fonds Darstellende Künste

STATEMENT vom 10.03.2025

Sehr geehrter Holger Bergmann und Kolleg:innen des Fonds Darstellende Künste, Sehr geehrter Vorstand und Kuratoriumsmitglieder des Fonds Darstellende Künste, Sehr geehrte Alle,

“Welche Rolle soll die Freie Szene Ihrer Meinung nach in der zukünftigen Kulturlandschaft spielen?”

Mit diesem Satz eröffnete der Meckerchor seinen Brief an die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth am 12.08.2024. Einige Tage zuvor wurde die Erhöhung des Kulturhaushaltes der Beauftragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt als Erfolgsmeldung kommuniziert. Gleichzeitig mussten wir bei genauerem Hinschauen feststellen, dass zahlreiche Bundeskulturfonds um bis zu 50% gekürzt wurden oder dass das Bündnis internationaler Produktionshäuser komplett aus der Förderung fiel, um nur zwei Beispiele zu nennen. Dass die Zeiten nach Neustart Kultur anders und härter werden würden, war uns bewusst und hat uns nicht überrascht. Denn wir sind Kulturarbeiter:innen, die auch in strukturschwachen Regionen wirken und dort die politischen und gesellschaftlichen Eruptionen miterleben und begleiten.

Deshalb war uns unsere Aufgabe klar: Wir stellen uns vor das Bundeskanzleramt und protestieren lustvoll mit allen Akteur:innen der Freien (Darstellenden) Künste und singen: IS DOCH KACKE!

Dort begrüßten wir Holger Bergmann oder Heinrich Horwitz, Gob Squad oder SheShePop, hannsjana, Lauratibor oder den Chor der Statistik, den SPD-Politiker Helge Lindh und Medienvertreter:innen von 3SAT, ZDF, Tagesspiegel ….und VIELE mehr.

Wir übernahmen die Forderung des Fonds Darstellende Künste, dass auch 2025 das Fördervolumen bei 10,3 Millionen bestehen bleiben muss, um weiterhin in der Nähe des ermittelten Jahresbedarfs von 16,5 Millionen Euro zu bleiben. Das taten wir, obgleich wir selten von der Förderung profitieren - denn: eine gesicherte Kofinanzierung ist für viele strukturschwache Regionen, in denen wir - bewusst - wirken, kaum realisierbar.1

Was ist nun passiert?

Wir entnehmen Ihrer Website, dass der Fonds für das Förderjahr 2025 weitere Mittel aus dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien2 erhält: “Insgesamt 7,6 Mio. Euro stehen für die Förderung der Freien Darstellenden Künste zur Verfügung - ein starkes Signal in herausfordernden Zeiten.” Das hat uns zuversichtlich gestimmt und werten wir als Erfolg von ALLEN Akteur:innen, die sich auf den Straßen oder in Gesprächen mit der Beauftragten für Kultur und Medien für unser gemeinsames Anliegen stark gemacht haben: Die Stärkung der Freien Darstellenden Künste als Teil einer starken stabilen Demokratie.

Sie konnten drei Monate jeden Mittwoch von 9:00 - 10:00 Uhr vor dem Bundeskanzleramt einen aus unterschiedlichen Akteur:innen der Freien Künste bestehenden Meckerchor erleben:

Der Meckerchor lebt Solidarität - dieses viel geschundene Wort, das doch jeden Tag neu mit Leben gefüllt sein will. Was kann Solidarität jenseits aller Phrasen und verdeckter Ausbeutung sein? Verbundenheit und Unterstützung. Wir meinen es ernst mit diesem Wort, mit dieser elementaren, aufreibend bindenden Praxis.

“Und wir verlangen von Ihnen, dass das Geld, dass im nächsten Jahr für die Kultur bereitgestellt wird so umverteilt wird, dass auch die Menschen außerhalb der Preußischen Museumsmauern und Berliner Stadtgrenzen etwas davon haben.” (aus dem Brief des Meckerchors an Claudia Roth, 12.8.2024)

Nun müssen wir feststellen, dass der Fonds ein neues Förderprogramm aufsetzt mit dem Titel “Exzellenzförderung”. Ein großer Teil der weiteren BKM Mittel fließen nun in dieses Programm. Über den Titel möchten wir an dieser Stelle nicht diskutieren, aber gerne über die inhaltliche Zielrichtung. Wir können nur erahnen, was sich hinter dieser Programmarchitektur verbirgt. Möglicherweise sollen die Arbeiten der Freien Darstellenden Künste dort angeschlossen werden, wo sich die Mitte der Gesellschaft und eine Mehrheitsfähigkeit vermuten lässt? Wollen Sie mit dem Programm kulturpolitisch ein Zeichen in Richtung eines möglichen CDU Kulturstaatsministers senden? Fair enough. Lassen Sie uns darüber sprechen. Wir haben dazu einige Ideen in petto.

Das Programm adressiert – unserer Wahrnehmung nach – ca. zwanzig frei produzierende Gruppen und große Stadt- und Staatstheater in Deutschland. Es ist ein Programm für Wenige. Ein Programm, welches mit einer großen Summe bereits gut geförderten Institutionen Anreize verschaffen soll, mit den Freien Darstellenden Künsten zu kooperieren. Ein Programm, welches Produktionen auf großen Bühnen für ein großes Publikum gestalten möchte.

Wir fragen uns, welches Publikum Sie damit meinen? Vergessen wir nicht den vielerorts diskutierten Publikumsschwund3 an den öffentlich geförderten Theatern. Sie wollen ästhetische Wagnisse abseits der Nische auf die großen Bühnen bringen? Diese 2 im Folgenden BKM3 vgl. Rainer Glaap, Publikumsschwund. Ein Blick auf die Theaterstatistik seit 1949, Wiesbaden, 2024.Formulierung gibt uns Anlass zur Sorge. Wenn Sie die Freien Darstellenden Künste öffentlich zur Nische erklären, dann machen Sie unsere Arbeit und die Relevanz kulturpolitisch jetzt schon klein und damit auch eine zukünftige Verhandlungsbasis mit der kommenden Bundesregierung. Sitzt die Nische der Gesellschaft nicht vielmehr in den deutschen Stadttheatern und in Produktionen an Produktionshäusern der Freien Darstellenden Künste!? Wir können aus unseren Arbeiten jedenfalls ein geringes Publikum nicht verzeichnen. Beziehungsweise misst sich beim künstlerischen Arbeiten in strukturschwachen Regionen der demokratische Gehalt der künstlerischen Arbeit nicht an Quantität, sondern an der Qualität des künstlerischen Einsatzes.

Dass in Zeiten großer Fragilität und Krisen in den Künsten und der Gesellschaft nun die großen Stadt- und Staatstheater sowie etablierte Gruppen der Freien Darstellenden Künste ran müssen, ist nach der Reihe “Die Kunst, Viele zu bleiben” ein interessantes Verständnis des Fond Darstellende Künste. Wir erinnern zudem gerne an das gescheiterte Programm “Doppelpass” der Kulturstiftung des Bundes. Auch, wenn uns dazu keine Daten, Fakten und Zahlen vorliegen, so lässt sich doch innerhalb der Szene festhalten, dass Kooperationsabsichten von Stadt- und Staatstheatern mit Gruppen der Freien Darstellenden Künste doch eher die Ausnahme und ein Extra bleiben. Dass hier alter Kaffee erwärmt wird, in einer so drastischen Lage, in der sich viele Menschen vom Theater generell abwenden, ist nicht nachvollziehbar.

Sie merken es: Das Zeichen, welches Sie mit dem Programm in unsere Richtung senden, lässt sich mit dem Wort Enttäuschung nicht auffangen, nicht schön reden. Wir sind alarmiert und in Sorge. Das ästhetisch-diskursive Wagnis und die Kraft unseres Protestes erwuchsen aus unseren jahrelangen Einblicken in zwei Richtungen: den grundsätzlich gesellschaftlichen Notständen ebenso wie speziell denen in der Kultur. Wir erarbeiten beständig künstlerisches Handwerkszeug für solidarische Zukünfte. Staatlich gefördert oder frei – wir sollen auffangen, was an anderer Stelle zu Boden fiel und unterliegen gleichzeitig einem immanenten Rechtfertigungs- und Konsumdruck für unseren künstlerischen und damit inhärent demokratischen Auftrag. Mit wem, wenn nicht Ihnen, sollten wir darüber ins Gespräch kommen?! Wer, wenn nicht wir, könnte Exzellenz und Innovation in solch eine Diskussion einbringen?!

Eine Kooperationsabsicht mit den deutschen Stadt- und Staatstheatern zu fördern, kann eine von vielen Möglichkeiten sein. Dass diese mit solchen Summen befördert werden, ist jedoch unverhältnismäßig angesichts der aktuellen Lage. Wir müssen die VIELEN erreichen – in Gesellschaft UND Politik. Und die sitzen nicht im deutschen Stadttheater. Auch nicht - und auch das gehört zur Wahrheit dazu - nicht in den Produktionshäusern der Freien Darstellenden Künste.

Der Meckerchor, ein Zusammenschluss freier Künstler:innen, hat am 12.08.24 vor dem Bundeskanzleramt eine Protestbewegung ins Rollen gebracht, die es vorher so nicht gegeben hat! Unsere Hauptforderung, einen Runden Tisch einzuberufen, um über eine Verteilungsgerechtigkeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu debattieren und Schritte daraus abzuleiten, wurde bisher übergangen. Unsere Gründe hierfür sind dringend - sie betreffen uns alle!

Yours,

Meckerchor -
in dieser Runde bestehend aus Tanja Krone, Johanna Franke, Anica Happich, Hans Narva, Juliane Meckert, Maren Barnikow, Anna Barth, Bettina Grahs, Tommy Neuwirth, Anna Stiede

 

1 Uns sind die Rahmenbedingungen und die Fragen rund um das Subsidiaritätsprinzip zwischen Bund und Ländern im Kulturbereich bekannt. Der Bund kann nur in einigen wenigen Fällen fördern. Exzellenz und Innovationscharakter sind uns vertraute Wörter. Dass der Fonds Darstellende Künste sich auch in einem abgesteckten Rahmen bewegen muss, wollen wir also an dieser Stelle nicht in Frage stellen.

 

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