
Choreographie/Performance: Felix Mathias Ott und Bahar Temiz © Paul Mc Gee
Außerirdisches Kugelwesen
Von Christine Matschke, 12.11.2017
Felix Mathias Ott und Bahar Temiz suchen beim Festival Open Spaces nach Relationen jenseits von Narration
Ein Mann und eine Frau in hellgrauen Jeans-Outfits verschlingen ihre Körper zu einem organisch-maschinellen Wesen, das sich — halb Raupe, halb Kettenlaufwerk — über den Bühnenboden bewegt und Körperteile wie im Kaleidoskop zu einem flüchtigen Dritten miteinander verschränkt: Zwei Körper ohne Anfang und Ende. Eingeleitet wird die abstrakte Symbiose durch Frank Sinatras unbeschwert-romantisches "Fly me to the moon" — Oh ha, Frauen, Männer und die Liebe! Diese Konstellation bleibt wohl auch in Zukunft noch eine extraterrestrische Erfahrung. "M.A.R.S." nennen Felix Mathias Ott und Bahar Temiz deshalb wohl auch ihre Performance und weil der Kriegsgott-Planet so schön zum Schauplatz für den Geschlechterkampf taugt. Das Raupenkettenlaufwerk-Kugelwesen jedenfalls wird alsbald seine Zweigeschlechtlichkeit (wieder) preisgeben und ordentlich auf gegenseitige Tuchfühlung gehen — Wangen klatschen, Brustkörbe trommeln und an Mundhöhlen zerren, um den Körper und Partner als Resonanzraum zu erforschen. Das ist nichts Neues im nicht-erzählerisch ambitionierten zeitgenössischen Tanz, passt thematisch aber gut. Die Gesamt-Mischung aus Szenen abstrakter Symbiose und angetippter Zwischenmenschlichkeits-Symbolik hingegen will nicht richtig einleuchten, wirkt mitunter etwas unentschlossen. Der Versuch, dem ewigen Mann-Frau-Ding "jenseits der Narration" auf den Grund zu gehen, endet — verdammt fabel-haft — als im Bühnenvorhang abtauchendes vielbeiniges Krabbeltier: Männer, Frauen und die Liebe, dieser Alien! Darüber wusste auch schon der alte Platon Bescheid. Nichts desto trotz: Als tanz-akrobatisches Duo, das seine Körper in beindruckender Geräusch- und Schwerelosigkeit dauerhaft ineinanderfließen lässt, faszinieren Ott und Temiz. Auch aus der Sinatra-Idee könnte noch etwas (charmant Komisches) werden. Zwei Rollen rückwärts jenseits des Narrations-Tabu, versteht sich.
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Alexandra Hennig ist Theater- und Tanzwissenschaftlerin, Dramaturgin und Co-Kuratorin des Festivals S.o.S. – Students on Stage. Sie ist Mitbegründerin des Blogs “Viereinhalb Sätze. Texte über Tanz” und schrieb als Studioschreiberin des ada Studios für die Spielzeit 2016/17.

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Christine Matschke bewegen die Zusammenhänge zwischen Tanz, Bildender Kunst und Gesellschaft sowie Tanzformate für ein junges Publikum. Als freie Tanzjournalistin (M.A. Tanzwissenschaft) schreibt sie u.a. für Die Deutsche Bühne, tanz, tanzraumberlin sowie Theater der Zeit / IXYPSILONZETT. Sie ist Redakteurin für die Tanznacht Berlin 2018 und Autorin für den Blog „Viereinhalbsätze“.

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ist Theater- und Tanzwissenschaftlerin und arbeitet als Produktionsleiterin in den Sophiensaelen (u.a. Tanztage Berlin), sowie als freie Dramaturgin und Kuratorin für Tanz, u.a. für das Festival „Alumni.Tanz.Berlin“ und „S.o.S. – Students on Stage“. Für die Spielzeit 2015/16 und 2017/18 war sie Studioschreiberin des ada Studio.

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Astrid Kaminski schreibt (über) Tanz, Performance, Poesie und Gesellschaftspolitisches für Tageszeitungen, Magazine, Themenbücher und Live-Formate. Ihre Texte erscheinen u.a. in der taz, der F.A.Z., auf Qantara.de (DW), in tanz, Frieze und Spike Art. Sie ist Mitbegründerin von Viereinhalb Sätze, Texte über Tanz.

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Elena Philipp studierte Theaterwissenschaft und Komparatistik. Als freie Kulturjournalistin schreibt sie u.a. für tanz und die Berliner Morgenpost. Sie ist Redakteurin von nachtkritik.de und tanzraumberlin. Ihr Interesse gilt den Zusammenhängen von Kunst, Politik und Gesellschaft.

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Charlotte Riggert hat Theater- und Tanzwissenschaft in München, Berlin und Stockholm studiert und interessiert sich für Aktionskunst, Tanzfotografie und das Unheimliche. Sie schreibt u.a. für tanznetz.de und den Tanzschreiber.

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Susanne Gietl ist Kulturjournalistin und Bloggerin für Kulturschoxx.de. Seit 2012 beschäftigt sie sich mit Interdisziplinarität in Tanz und Theater sowie immersiven Performances. Sie schreibt für und über Kulturfestivals, entwickelt Audioformate und Medienkonzepte.

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Performance Triangulation Station – ist ein von Künstler*innen geleitetes Projekt, initiiert, um einen schriftlichen Diskurs über Performances der Berliner Freien Szene zu führen, mit dem Ziel ein Archiv von originellen und qualitativ hochwertigen Texten entstehen zu lassen. Zu ausgewählten Tanzproduktionen schreiben je drei Autor*innen: externer Künstler/Zuschauer/Choreograf der ausgewählten Produktion.
